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Warum braucht es neue Ökoflächen für ein Kraftwerk, das seit Jahrzehnten besteht und nicht ausgebaut wird?

Die Konzession für den Betrieb des Wasserkraftwerks Beznau soll um 30 Jahre verlängert werden. An der Anlage selber ändert sich nichts, dennoch werden ökologische Ausgleichsflächen von rund 5 Hektaren geschaffen. Dieser auf den ersten Blick unverständliche Vorgang sorgte im Grossen Rat für kontroverse Diskussionen.

Wenn in der Aargauer Politik das Wort Beznau fällt, geht es zumeist um das Atomkraftwerk. Links-Grün möchte den ältesten Reaktor der Schweiz seit Jahren abstellen, die bürgerliche Mehrheit verteidigt den Betrieb – die Kontroverse ist programmiert. Am Dienstag ging es im Grossen Rat auch um Beznau, allerdings nicht um das Atom-, sondern um das Wasserkraftwerk. Dafür hat die Axpo eine neue Konzession für 30 Jahre beantragt.

Niemand im Rat war dagegen, dass der Konzern mit dem Kraftwerk an der Aare bis 2052 weiterhin Wasserstrom erzeugen darf. Die Anlage produziert pro Jahr gut 180 Megawattstunden, das reicht, um rund 45’000 Vierpersonenhaushalte zu versorgen. Das soll so bleiben, in der Botschaft der Regierung steht: «Die Anlage soll aufgrund der Neukonzessionierung nicht verändert werden, die Staukote, die Ausbauwassermengen und die Fallhöhen bleiben unverändert.»

Dennoch sollen Ökoflächen von 5,1 Hektaren in Böttstein und Villigen geschaffen werden. Schon in der vorberatenden Kommission hatte dies zu Diskussionen geführt, wie Präsident Christian Glur ausführte. «Viele Kommissionsmitglieder störten sich, dass alle 30 Jahre ökologische Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen umgesetzt werden müssen.» Die Kommission forderte, dass die Flächen in ihren jetzigen Zustand zurückversetzt werden, sollten sie 2052 den Zweck nicht mehr erfüllen.

SVP-Grossrat Pascal Furer sieht keine Notwendigkeit für Ökoflächen

Durch die ökologischen Ausgleichsmassnahmen gehen Fruchtfolgeflächen verloren, also Acker- oder Weideland. Landwirt Walter Stierli (SVP) sagte, seine Partei sei gegen den Landverlust – das Wasserkraftwerk produziere schliesslich grünen Strom. Stierlis Parteikollege und SVP-Aargau-Sekretär Pascal Furer sagte, gemäss einer Richtlinie des Bundes brauche es bei Neukonzessionierungen keine Ersatz- und Ausgleichsmassnahmen.

Er hielt fest, mit dem zusätzlichen Antrag der Kommission liesse sich verhindern, dass bei einer erneuten Konzessionsverlängerung im Jahr 2052 erneut Ökoflächen ausgeschieden werden müssten. Sonst drohe ein düsteres Szenario, wie Furer sagte: «Wenn es so weitergeht wie bisher, haben wir in 500 Jahren zwar noch Strom, aber wohl kein Land mehr.»

FDP stimmt zähneknirschend zu – ihr Regierungsrat erklärt Regelung

Jeanine Glarner (FDP) betonte, mit der neuen Konzession ändere sich am Wasserkraftwerk Beznau gar nichts. Die Belastung der Umwelt durch die Anlage werde nicht grösser durch den Weiterbetrieb. Sie gab aber zu bedenken, wenn der Grosse Rat nun Nein sage, könne der Regierungsrat die Konzession nicht verlängern – deshalb stimme die FDP der Botschaft zähneknirschend zu.

Der freisinnige Bau- und Energiedirektor Stephan Attiger sagte, das Kraftwerk Beznau sei bisher von Vorgaben für Ökoflächen ausgenommen worden. «Hier wurden noch nie Massnahmen umgesetzt, die gilt es mit der neuen Konzession nachzuholen», erklärte er. Bei einer nächsten Neukonzessionierung seien aber keine Ökoflächen mehr nötig. Zudem gehe der Kanton schonend mit dem Land um: Ein Wildtierkorridor werde angerechnet, der ohnehin realisiert werden müsse.

Mitte gewichtet Interesse an Energieproduktion höher

Hans-Ruedi Hottiger sagte für die Mitte, oft könne der Grosse Rat eine Interessenabwägung vornehmen. Weil die Ökoflächen ein gesetzlich vorgeschriebenes Element für die Neukonzessionierung seien, gebe es hier aber nichts abzuwägen. Es bleibe nur die Frage, ob man die Konzession und den Weiterbetrieb des Kraftwerks wolle. Die Versorgungssicherheit mit Lebensmitteln sei in der Schweiz gut, die mit Strom hingegen katastrophal – deshalb stimmte die Mitte dem Antrag zu.

Leandra Kern Knecht (GLP) bezeichnete das Projekt als weitsichtig geplant – es gebe weiterhin Wasserstrom, mit den Ökoflächen könne zudem ein national bedeutender Wildtierkorridor aufgewertet werden. Der Kanton gehe sparsam mit der Fläche um, es gebe auch Ausgleichsmassnahmen in der Aare selber, lobte die Grünliberale.

SP will der Natur etwas zurückgeben, das ihr genommen wurde

Martin Brügger (SP) sagte, seine Fraktion unterstütze den Antrag der Regierung, allerdings sei die SP nicht generell für den Verbrauch von Fruchtfolgeflächen. Er sei für die Nutzung der Wasserkraft, damit sei aber die Pflicht für einen ökologischen Ausgleich verbunden. Das Natur- und Heimatschutzgesetz verpflichte den Kanton, der Natur etwas zurückzugeben, das ihr genommen worden sei, sagte Brügger.

Thomas Baumann (Grüne) wies darauf hin, dass der Druck auf die Fruchtfolgeflächen mit dem Bevölkerungswachstum steige. Künftig müssten Vertreter von Landwirtschaft und Naturschutz miteinander reden können. Er unterstützte den Antrag der Kommission, dass die Ökoflächen nach 30 Jahren in den aktuellen Zustand zurückversetzt werden sollen, wenn sie ihren Zweck dann nicht mehr erfüllen.

Der Grosse Rat stimmte letztlich den Ausgleichsflächen für die Neukonzessionierung des Wasserkraftwerks Beznau mit 67 zu 58 zu – aber mit der Einschränkung, dass die Ökoflächen in 30 Jahren wieder zu Ackerland gemacht werden, wenn sie ihren Zweck nicht mehr erfüllen.