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Wo sind die Geheimnisse? Diese Künstlerin erzählt ein düsteres Kapitel der einstigen Heil- und Pflegeanstalt in Königsfelden

Geheimnisse und Leerstellen: Lea Schaffner stieg in verschiedene Archive, um die Geschichte der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt in Königsfelden zu entschlüsseln. Daraus hat die Künstlerin ein Video gemacht. 

Das «Gebäude der Geheimnisse» nennt Lea Schaffner die Psychiatrie Königsfelden in ihrer Videoinstallation. Während die Kamera die Psychiatrie zeigt, ertönt ihrer Stimme aus dem Lautsprecher, die darüber sinniert: «Ich versuche mir vorzustellen, wo die Geheimnisse zu finden sind, und wer sie bewacht. Wer von ihnen weiss und wissen darf, und wer nicht.»

Leukotomie, ein neurochirurgischer Eingriff, bei dem Nervenbahnen im Gehirn durchtrennt werden, bildet das Zentrum von Schaffners Projekt. In der Nachkriegszeit wurde diese Methode, die oft starke Nebenwirkungen verursacht und zu Persönlichkeitsveränderungen führt, auch in der Schweiz angewandt, unter anderem in der ehemaligen Heil- und Pflegeanstalt (heute PDAG) in Königsfelden.

Räume für «die Tobenden» und «die Ruhigen»

Bei ihrer Recherche stiess Lea Schaffner je länger auf mehr Lücken oder Leerstellen. Weil in der Schweiz das Persönlichkeitsrecht gilt, konnte sie nicht mehr herausfinden, als dass im Königsfelden an rund zwei Dutzend Patientinnen und Patienten eine Leukotomie vorgenommen wurde. Die in Hausen aufgewachsene Künstlerin stiess schliesslich im Staatsarchiv Aargau auf die architektonischen Pläne der psychiatrischen Einrichtung – mit Bezeichnungen wie «die Tobenden», «die Ruhigen» oder «die Unreinlichen» für die einzelnen Räume. Ihre Erkenntnisse und persönlichen Empfindungen verarbeitet Lea Schaffner in «Aus dem Kopf, From the Head (by Heart)».

Videostill aus der Arbeit «Aus dem Kopf, From the Head (by Heart)» von Lea Schaffner.
Bild. Lea Schaffner/zvg

Gezeigt wird der sehenswerte Splitscreen-Film derzeit im Dachgeschoss des Zimmermannhauses in Brugg. Das Format «über s’Eck» greift die Architektur des Raumes auf und schliesst die Betrachtenden in die Geschichte ein.

Ein Stockwerk tiefer stellt Ursula Baumberger ihre weissen Reliefbilder aus. Diese fertigt die Künstlerin aus Umiken seit dem Jahr 1997 an, nachdem sie zuvor mit Positiv-Negativ-Schnittbildern sowie strahlenden Eitemperafarben gearbeitet hatte. Sie erklärt, dass sie in einer «monströs-lauten Welt» durch ihre Arbeit nach Klarheit, Ruhe und Schlichtheit sucht. Die Reliefs spielen mit Kontrasten zwischen Licht und Schatten, sie verändern sich je nach Lichteinfall. Die selbst entwickelte und komplizierte Technik mit dickem Karton, Leintuchstoff und Dispersion verfeinert und optimiert Ursula Baumberger kontinuierlich.

Einblick in die Künstlerwerkstatt

Die Zusammenführung der beiden sehr unterschiedlichen Künstlerinnen – Schaffner hat Jahrgang 1989 und Baumberger 1942 – ist kein Zufall: Beide thematisieren Leerstellen sowie den Vorgang des Schneidens. Und die Werke beider zeichnen sich durch eine gewisse Zurückhaltung aus.

Einblicke in die Arbeit der beiden lokalen Künstlerinnen erhält man in der «Werkstatt» im Erdgeschoss des Zimmermannhauses. Hier sind die beiden Künstlerinnen während der gesamten Anstellungsdauer persönlich anzutreffen, um sich mit den Besucherinnen und Besuchern auszutauschen. So stehen die Werkzeuge, derer sich Ursula Baumberger bedient, auf den ihr zugeteilten Tischen. Einige Meter weiter, auf zwei weiteren Tischen, liegen Unterlagen zu Lea Schaffners Arbeit. Durch das Format «Zimmerei» bietet das Haus für zeitgenössische Kunst und Brugg lokalen Künstlerinnen und Künstlern speziellen Projekten die Möglichkeit, seine Räumlichkeiten zu nutzen. Dabei ermöglicht es einen Einblick in die lokale Kunstproduktion und fördert den Austausch zwischen Kunstschaffenden und einem breiten Publikum. Das Zimmermannhaus wird so zu einem lebendigen Ort der Begegnung und Inspiration für alle Beteiligten.