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Aufregung nach Eskalation bei Kurdendemo: «Massive Polizeigewalt» oder verhältnismässiger Einsatz?

Am Montagabend drückten Kantonspolizisten einen Teilnehmer einer Kurdendemo zu Boden. Der Mann hatte Pyrotechnik gezündet. Nun kritisieren die Organisatoren die Polizei. Diese wehrt sich.

Montagabend, Baden. Rund 50 Personen versammeln sich am Bahnhof, um für das unabhängige Kurdengebiet Rojava im Nordosten Syriens zu demonstrieren. Weitgehend unbemerkt von grösseren Medien greifen islamistische Kräfte seit einigen Tagen die Region an. Der Zug setzt sich mit Transparenten und Fahnen in Richtung Altstadt in Bewegung, ein Teilnehmer zündet Pyrotechnik – und mehrere Polizisten stürzen sich auf ihn. Der Mann wird zu Boden gedrückt und arretiert.

So weit, so unbestritten. Sowohl die Kantonspolizei Aargau als auch die Organisatoren schildern die Geschehnisse vom Montagabend mehrheitlich gleich. Unterschiedlich sind hingegen Details und ihre Einordnung.

«Massive Polizeigewalt» versus «verhältnismässiger Einsatz»

Diese beginnt bereits bei der genauen Beschreibung der Demonstration. Während die Organisatoren auf einem vor wenigen Tagen erstellten Instagram-Kanal von einer «unangemeldeten Solidaritätsbekundung» schreiben, spricht die Polizei von einer «unbewilligten Demonstration». Die Organisatoren sprechen von «massiver Polizeigewalt», die Polizei von einem «verhältnismässigen Einsatz».

Für die Organisatoren ist klar: Die Aggression ging von der Polizei aus. Als der Demonstrationsteilnehmer die «ungefährliche und lautlose» Pyrotechnik gezündet habe, hätten ein halbes Dutzend Polizistinnen und Polizisten die Demo angegriffen und die Person «brutal zu Boden getackelt». Daraufhin sei die Person «brutal» zu Boden gedrückt worden, die Polizisten hätten ihr mit einer schnell blinkenden Taschenlampe ins Gesicht geleuchtet.

Das Vorgehen der Kantonspolizei ist für die Organisatoren ein weiteres Beispiel für «einen massiven Eingriff in die Demonstrationsfreiheit». «Der Vorfall zeigt einmal mehr, auf wessen Seite die Polizei steht.»

Für die Polizei stellen sich die Ereignisse anders dar. Auf Anfrage der AZ schreibt Sprecher Pascal Wenzel, dass sich die Person trotz mehrmaliger Aufforderung einer Personenkontrolle widersetzt habe. Sie sei schliesslich unter «Einhaltung der Verhältnismässigkeit» zu Boden geführt und arretiert worden. Weitere Zwischenfälle hat die Polizei nicht verzeichnet. Klar ist aber: Ohne den Beitrag auf Instagram wäre der Vorfall nicht publik geworden. Auf eine Polizeimeldung verzichtete die Kantonspolizei bislang.

Juso und Junge Grüne solidarisieren sich mit den Demonstrierenden

Am späten Dienstagnachmittag solidarisieren sich die beiden linken Aargauer Jungparteien mit den Demonstrierenden. Man habe entsetzt feststellen müssen, dass die Kantonspolizei Aargau das Recht auf Protest mit Füssen trete, schreiben Juso und Junge Grüne in einer gemeinsamen Medienmitteilung.

Die Demonstration sei unbewilligt, aber dialogbereit gewesen. Der Start des Marsches sei erst nach langer Diskussion gewährt worden. Und nach dem Zünden der Pyrotechnik habe ein «schlecht gelaunter und autoritär auftretender Polizist» die Veranstaltung aufgelöst. «Statt auf Deeskalation und Dialog zu setzen, greifen Polizistinnen und Polizisten gewalttätig durch, das darf nicht sein», lässt sich Luca Lassi, Co-Präsident der Jungen Grünen, im Communiqué zitieren. Die beiden Jungparteien fordern «eine lückenlose Aufklärung» des Falls.