Betreuerin soll zu viele Tiere bei sich aufgenommen haben: Vor Gericht kämpft sie für Freispruch
Von Kindsbeinen an war Eveline (Name geändert) fasziniert von Tieren. Wie das bei jungen Mädchen weit verbreitet ist, hatten besonders Pferde ihr Herz erobert. Heute ist sie Besitzerin eines Wallachs – ein ehemaliges Rennpferd, das sie, nachdem es die geforderte Leistung nicht mehr erbrachte, vor dem Schlachthaus gerettet hatte.
Jüngst musste sich die 48-Jährige in Baden vor Einzelrichter Pascal Peterhans verantworten: Dorthin hatte sie ihre Leidenschaft für Tiere gebracht, die Eveline vor vielen Jahren zu ihrem Beruf gemacht hat. Beschuldigt war sie, gegen das Tierschutzgesetz verstossen zu haben. Sie soll laut Strafbestimmung «andere durch das Gesetz oder die Verordnung verbotene Handlungen an Tieren» vorgenommen haben.
Im Verlaufe der Befragung durch den Richter wurde allerdings klar dass sowohl das kantonale, als auch das Schweizer Tierschutzgesetz Regelungen enthält, die Raum für unterschiedliche Interpretation offenlassen.
Ans Gericht wurde Eveline von ihrem Vater und ihrem Verlobten begleitet. Jeans, Oversized-Pulli und Weste, das blonde Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden, sass vor Richter Peterhans eine sympathische Frau, zu der einem auf Anhieb die Adjektive «patent» und «zupackend» einfallen.
Auf Wunsch ihrer Eltern hatte sie einen typisch weiblichen Handwerksberuf erlernt. Schon bald aber hatte sie Broschüren über Berufe mit Tieren studiert und einen Berufsberater konsultiert und danach mehrere Jahre bei Tierärzten und in Pferdestallungen gearbeitet. Nachdem ein Bandscheibenvorfall ihrem Ziel, Bereiterin zu werden, einen dicken Strich durch die Rechnung gemacht hatte, entschied sie sich, selbstständig zu werden.
Eveline absolvierte eine «FBA, fachspezifische berufsunabhängige Ausbildung für Betreuungspersonal in Tierheimen mit maximal 19 Betreuungsplätzen sowie für Tierheimleiter und Hütedienstanbieter». Seit 2019 bietet sie stunden- und tageweise oder während der Ferienzeit Haustierbetreuung bei sich zu Hause oder bei Kunden an.
Aus einer unangemeldeten Kontrolle des Kantonalen Veterinärdienstes im März letzten Jahres hatte im September ein Strafbefehl resultiert. Demnach hatte Eveline zwischen Anfang Oktober und Ende Dezember 2022 mehrfach ohne entsprechende kantonale Bewilligung «mehr als fünf Tiere wie Pferde, Hunde und Katzen gleichzeitig intern und extern betreut».
Auch habe die Beschuldigte zwar den FBA-Theoriekurs absolviert, nicht aber die notwendigen Praktikumsstunden. Dafür sei sie mit einer Busse von 500 Franken zu belegen. «Ich war überzeugt, dass die Jahre, die ich unter anderem bei Tierärzten gearbeitet hatte, sehr wohl als Praktikumsstunden gelten», erklärte Eveline vor Gericht.
Dem Merkblatt des Veterinärdienstes im Departement Gesundheit und Soziales ist zu entnehmen, dass folgende gewerbsmässige Tätigkeiten mit Tieren eine Bewilligung brauchen: «Handel mit bzw. Vermittlung von Tieren, die aus dem Ausland stammen; Betreiben eines Tierheims mit mehr als fünf Pflegeplätzen; Betreiben von Tierbetreuung mit mehr als fünf Pflegeplätzen.»
Sie habe, bekräftigte Eveline, nie mehr als jeweils fünf Katzen und Hunde in separaten «Gäste»-Zimmern bei sich betreut. «Ja, doch – daneben habe ich bisweilen auch noch ein Pferd, Pony oder Esel betreut. Ich war aber überzeugt, dass dies nicht unter die Vorgabe von fünf Pflegeplätzen fällt. Ich habe gegoogelt, ob Equiden auch als Haustiere gelten. In den Kantonen Solothurn und Luzern zum Beispiel wird deren Anzahl bei Betreuung separiert von Hunden und Katzen gezählt.»
Als letztes Wort wünschte Eveline sich einen Freispruch, den der Richter ihr erfüllen konnte. In seiner Urteilsbegründung betonte Pascal Peterhans, dass die Gesetze von Bund und Kantonen sowohl betreffend die Ausbildung, als auch die bewilligungspflichtige Anzahl von betreuten Tieren unterschiedlich seien. «Beim Tierschutz gibt es viele Unklarheiten; das Strafrecht aber muss klar sein.» Abschliessend gab der Richter Eveline mit auf den Weg, eine Bewilligung zu beantragen. «Sie erfüllen doch tipptopp die Voraussetzungen für eine solche.»