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Deutscher läuft an Badenfahrt aufs Kiesbett beim Gleis 1 und landet vor Gericht – dort kommt es zur Überraschung

Wegen eines kurzen Aufenthalts abseits des Perrons am Bahnhof Baden vergangenen Sommer musste sich ein Architekt vor Einzelrichter Daniel Peyer verantworten.

Ein paar Schritte auf der mit Unkraut übersäten Kiesfläche am nördlichen Ende des Perrons 1 am Bahnhof Baden brockten einem Architekten einen Strafbefehl ein. Die Staatsanwaltschaft beschuldigte ihn der Widerhandlung gegen das Eisenbahngesetz, weil er das Bahnbetriebsgebiet ohne Erlaubnis betreten habe. Die Konsequenz: eine Busse von 100 Franken und die Übernahme der Strafbefehlsgebühr von 300 Franken.

Der in Zürich wohnhafte Deutsche liess sich das nicht gefallen und erhob Einspruch. Und so musste am Dienstagmorgen der Einzelrichter Daniel Peyer am Bezirksgericht Baden entscheiden, ob sich der Mann tatsächlich etwas hatte zuschulden kommen lassen oder nicht.

Der Ausflug abseits des Perrons ereignete sich während der Badenfahrt vergangenen Sommer. Der Beschuldigte war beruflich nach Baden gekommen und wollte sich nach einem kurzen Abstecher am Fest auf die Heimreise nach Zürich begeben. Während er auf den Zug auf Gleis 1 wartete, stach ihm der damals neu gebaute Akara-Tower ins Auge.

«Die Gestaltung des Erdgeschosses hat mich interessiert. Ich wollte das Gebäude besser sehen», sagte der Architekt. Da die Etagen jedoch von einem auf Gleis 2 stehenden Zug verdeckt wurden, begab sich der Mann auf die Kiesfläche. «Ich merkte, dass ich eine weisse Sicherheitslinie übertrat und vergewisserte mich, ob es keinen Hinweis gibt, der das Weitergehen verbietet.»

Da nichts dergleichen vorhanden gewesen sei, setzte er sein Vorhaben fort. «Als ich sah, dass hinter dem Zug ein Haus steht, das die Sicht aufs Erdgeschoss des Hochhauses verdeckt, machte ich nach zehn Metern kehrt.»

Zur Strafanzeige kam es schliesslich, weil ein Sicherheitsmitarbeiter das Ganze beobachtete und an die SBB weiterleitete. «Für mich war nicht erkennbar, dass ich mich auf dem SBB-Betriebsgelände befand», beteuerte der Beschuldigte. «Die Kiesfläche habe ich als eine Fortsetzung der Bahnsteigkante verstanden.» Und auch die quere weisse Sicherheitslinie brachte ihn nicht ins Stutzen. «Diese stellte für mich keine Begrenzung, sondern vielmehr eine Leitlinie vor allem für Sehbehinderte dar.»

Kiesfläche wurde zum Einsteigen genutzt

Dass die Kiesfläche zumindest früher sehr wohl zum Perron gehörte, untermauerte der Architekt mithilfe der Aussage eines Freundes, der 2007 die weisse Linie habe überqueren müssen, um über das Kiesbett in einen überlangen Zug zu gelangen. «Und wenn dieser Teil des Perrons heute nicht mehr genutzt werden soll, dann stellt doch ein Schild hin», fand der Beschuldigte.

Diese Meinung vertrat auch Einzelrichter Peyer. Ein Schild würde Klarheit schaffen, sagte er und sprach den Architekten frei. Dass dieses Gebiet nicht betreten werden soll, stand für Peyer ausser Frage. «Doch in der Situation, in der Sie sich befanden, war das nicht erkennbar», sagte der Einzelrichter. Der Hauptgrund für das Verbot seien Menschen, die oftmals in betrunkenem Zustand über die Bahngleise rennen, um den Zug zu erwischen, so Peyer. Doch in diesem seltenen Fall drückte der Einzelrichter ein Auge zu. «Es kann nicht sein, dass Sie wegen Ihres architektonischen Interesses verurteilt werden. Das wäre eine Bagatelle sondergleichen.»