«Sie müssen sofort an den Verhandlungstisch, jede Sekunde sterben Menschen»: Über Tausend Menschen aus der Region setzen ein Zeichen gegen den Krieg
Der von Wladimir Putin befohlene Einmarsch russischer Truppen in das souveräne Nachbarland Ukraine erschüttert die Menschen auf der ganzen Welt. Während die ukrainische Armee gegen die Invasoren kämpft und zahllose Menschen vor den Kämpfen fliehen, gibt es weltweit Protestdemonstrationen.
Eine davon fand am Sonntagabend auf dem Bahnhofplatz in Baden statt. Die Idee dazu hatte die SP-Politikerin Mia Gujer. Auf ihren Aufruf hin hoffte sie auf 50 Teilnehmende. Sie irrte sich gewaltig. Sie wird sich kaum je so über einen Irrtum gefreut haben. Denn sie trifft augenscheinlich den Nerv der Menschen. Sie haben das Bedürfnis, etwas zu tun, und sei es, in stillem Protest mit den Menschen in der Ukraine Solidarität zu zeigen. Über 1000 Menschen versammeln sich schliesslich ab 18 Uhr in Baden.
Gujer ist überwältigt. Alle wüssten, warum sie hier sind, sagt sie in einer kurzen Ansprache: «Wir setzen uns hier ein für Demokratie und Freiheit,» sagt sie unter Applaus. Den Bundesrat ruft sie auf, endlich Sanktionen zu ergreifen. Reformierte Kirchen im Bezirk würden um 18.50 Uhr aus Solidarität mit der Ukraine die Glocken läuten lassen. Unter den Demonstrierenden sind, solange es noch hell ist, Regierungsrat Dieter Egli (SP), die Nationalrätinnen Gabriela Suter und Yvonne Feri (beide SP), Nationalrätin Marianne Binder (Die Mitte) und der frühere BDP-Nationalrat Bernhard Guhl (Die Mitte) auszumachen.
Vater und Sohn sind im Luftschutzkeller
Weit vorn trägt eine Demonstrantin ein blau-gelb eingefärbtes Plakat, auf dem Putin mit Hitler-Schnäuzchen abgebildet ist. Dazu steht: «Stoppt Diktator und Aggressor Putin!» Die Trägerin ist Natalya Dietschi. Sie ist heute Schweizerin, ihr Vater, der Sohn und weitere Verwandte und Bekannte sind aber in der Ukraine. Sie sind seit drei Tagen im Luftschutzraum, hören den Gefechtslärm. Die Frau hofft sehnlichst, dass Putin und Selenskyj sofort an den Verhandlungstisch kommen, «denn jetzt sterben in der Ukraine jede Sekunde Menschen».
Manche tragen Friedensfahnen, Mia Gujer hat mit Genossinnen und Genossen 300 blaugelbe Solidaritäts-Bändel verteilt. Andere tragen handgemalte Plakate mit klaren Aufforderungen an Präsident Putin.
«Kein Hafen für Putin – Schweiz soll jetzt handeln!»
Auf einem steht: «Kein Hafen für Putin – Die Schweiz soll jetzt handeln!, auf einem anderen, auf dem ein russischer Panzer gezeichnet ist, steht: «Gott helfe uns!», ein anderes fordert «Sanktionen jetzt!»
Aus der Menschenmenge, die rund um den Platz versammelt ist, lösen sich immer wieder einzelne Personen, auch Kinder, stellen auf einem freien Platz in der Mitte brennende Kerzen und Laternen hin, einige stimmen ukrainische Lieder an. Yvonne Feri findet diese Zeichen der Solidarität unglaublich schön. Das solle aber auch ein klares Zeichen an den Bundesrat sein, alles zu tun, um das Elend der Menschen zu mildern, die EU-Sanktionen voll mitzutragen und russische Oligarchengelder einzufrieren.
Die Geschehnisse beschäftigen sie sehr, sagt auch Gabriela Suter. Für sie ist es keine Frage, auf diese Weise Solidarität zu zeigen. Die Schweiz müsse die EU-Sanktionen übernehmen: «Wir dürfen uns nicht hinter der Neutralität verstecken.»
Regierungsrat Dieter Egli ist aus persönlicher Betroffenheit mit dabei. Bezüglich Russlands Intentionen hegt er keine Illusionen, das Ganze sei offenkundig von langer Hand geplant gewesen. Mit seiner Präsenz macht er deutlich: «Damit können wir nicht leben.» Er fragt sich, inwieweit die russische Bevölkerung dahinter steht.
Wir hätten «sträflich lange vernachlässigt, dass Frieden nicht selbstverständlich ist», sinniert Marianne Binder. Sie glaubt aber an die Kraft solcher Demonstrationen, die hoffentlich auch Demonstrierenden in Russland helfen. Sie ist aber ebenso überzeugt, dass man in der Lage sein muss, sich militärisch zu verteidigen.