Sie sind hier: Home > International > Krise im Irak eskaliert gewaltsam – mindestens elf Tote und 160 Verletzte

Krise im Irak eskaliert gewaltsam – mindestens elf Tote und 160 Verletzte

Mit dem erklärten Rückzug von Schiitenführer Al-Sadr aus der Politik im Irak scheinen seine Anhänger ausser Kontrolle. In der Grünen Zone, einst einer der sichersten Orte in Bagdad, liefern sie sich Gefechte mit Iran-treuen Milizen. Die niederländische Botschaft wird geräumt.

Der politische Konflikt im Irak ist in der Nacht zum Dienstag weiter in Gewalt umgeschlagen. Videos zeigten die Miliz Saraja al-Salam des einflussreichen Schiitenführers Muktada al-Sadr, die sich in der sogenannten Grünen Zone in Bagdad mit Iran-treuen Milizen schwere Kämpfe liefert. Dabei waren lange Feuersalven zu hören. Mindestens elf Menschen seien getötet und 160 weitere verletzt worden, hiess es aus medizinischen Kreisen. Die Nachrichtenseite Al-Sumaria berichteten von 15 Toten und 350 Verletzten. Die Kämpfe gingen am Dienstagmorgen trotz einer Ausgangssperre teils weiter.

In der rund zehn Quadratkilometer grossen und eigentlich hoch gesicherten Grünen Zone im Zentrum Bagdads befinden sich zahlreiche Regierungseinrichtungen, das irakische Parlament sowie mehrere Botschaften, darunter auch die diplomatische Vertretung der USA. Die Gegend gilt eigentlich als ein vergleichsweise sicherer Zufluchtsort.

Nahe dem Parlament stieg Rauch auf.
Ahmed Jalil / EPA

Berichten zufolge gingen in der Nacht auch mehrere Raketen in der Grünen Zone nieder. Videos in sozialen Netzwerken sollen zeigen, dass daraufhin auch das Raketenabwehrsystem (C-Ram) zum Schutz der US-Botschaft aktiviert wurde.

Der niederländische Aussenminister Wopke Hoekstra teilte mit, in der Gegend um seine Botschaft werde gekämpft. Die Mitarbeiter seien evakuiert worden und würden vorübergehend aus der deutschen Botschaft arbeiten. Die Lage im Irak sei «sehr angespannt» und ändere sich rasch, schrieb Hoekstra bei Twitter.

Anhänger der einflussreichen Geistlichen Al-Sadr hatten den Regierungspalast mit dem Büro von Ministerpräsident Mustafa al-Kasimi am Montag gestürmt und vorübergehend besetzt. Zuvor hatte Al-Sadr seinen Rückzug aus der Politik erklärt. Am späten Montagabend gab der 48 Jahre alte Religionsführer auch bekannt, in einen Hungerstreik zu treten, bis die Gewalt gegen seine Anhänger eingestellt werde.

Bei den Protesten kam es zu gewaltsamen Aufeinandertreffen.
Ahmed Jalil / EPA

Al-Sadrs Bewegung war aus der Parlamentswahl im Oktober vergangenen Jahres als stärkste Kraft hervorgegangen. Es gelang ihr aber nicht, eine Regierung zu bilden. Al-Sadr weigerte sich, mit den Iran nahe stehenden Parteien zu kooperieren. Damit kam es zu einer Spaltung des schiitischen Lagers. Einen von seinen politischen Gegnern vorgeschlagenen Regierungschef will Al-Sadr auch nicht akzeptieren. Es entstand eine politische Pattsituation, die sich über Monate immer weiter zuspitzte. Al-Sadr fordert als Ausweg aus der Krise Neuwahlen. Vor einem Monat hatten seine Anhänger bereits das Parlamentsgebäude besetzt.

Eigentlich galt schon ab Montagnachmittag in Bagdad und ab dem selben Abend eine landesweite Ausgangssperre. Ministerpräsident Al-Kasimi ordnete an, dass die offiziellen Arbeitszeiten am Dienstag im ganzen Land ausgesetzt seien. Das teilte das Kabinett der staatlichen Nachrichtenagentur INA zufolge in der Nacht mit.

Bei den Unruhen soll es zu zahlreichen Verletzten und auch zu Todesfällen gekommen sein.
Ahmed Jalil / EPA

Die Demonstrationen der Sadristen breiteten sich auch auf andere Provinzen aus. Laut Berichten zogen seine Anhänger dabei unter anderem auch in Basra und Dhi Kar im Süden auf die Strasse und besetzten Gebäude der Provinzregierungen. Dass der Konflikt sich in einen landesweiten «Bürgerkrieg unter Schiiten» ausweite, sei derzeit aber noch unwahrscheinlich, schrieb Jisar al-Maliki, Analyst bei der Middle East Economic Survey (MEES).

UN-Generalsekretär António Guterres äusserte sich besorgt über die Proteste. Er rufe zu Ruhe und Zurückhaltung auf, teilte sein Sprecher mit. Die Europäische Union bezeichnete es in einer Mitteilung als «entscheidend, dass alle Akteure von Handlungen absehen, die zu weiterer Gewalt führen könnten». Die US-Botschafterin im Irak, Alina Romanowski, erklärte, die «Sicherheit, Stabilität und Unabhängigkeit des iIak» könne nicht aufs Spiel gesetzt werden. (dpa)