«Es war nervenaufreibend»: So hat die Brienzerin Sonja Christen die vergangenen Stunden und Tage erlebt
Fünf Wochen haben sie gewartet, all jene, die ihr Zuhause in Brienz wegen dem drohenden Bergsturz hatten verlassen müssen. Es sei ihr kurz und lang gleichzeitig vorgekommen, sagt die Brienzerin Sonja Christen, welche die Zeit in einer Ferienwohnung im Nachbarweiler Vazerol verbringt. «Es lief so viel, es gab so viel zu organisieren jeden Tag, dass die Zeit auch schnell verging.»
Ihr Sohn Matthias, der den elterlichen Bauernhof in Vazerol bewirtschaftet und Wiesland in Brienz hat, musste schnell reagieren, wenn die Behörden die Erlaubnis zum Mähen gaben. Diese Zeitfenster seien wertvoll gewesen, so Christen. Schliesslich sei es heuer ein besonders schöner Frühling mit gutem Graswachstum gewesen.
Vier Tage Zeit hatten Sohn Matthias und andere Landwirte kürzlich, um die unter dem Berg liegenden Wiesen zu mähen. «Das waren strenge Tage, aber wir konnten viel machen», sagt Sonja Christen. Noch diesen Montag und am Dienstag bis Mittag holte ihr Sohn dort das Heu. «Punkt 12.30 Uhr war fertig, das war stressig», sagt Sonja Christen. Sehr gut geklappt habe die Hilfe untereinander bei den betroffenen Bauernfamilien. Aber man sei ständig wie auf Nadeln gewesen. «Die Bauern waren ständig am Telefon. Es war nervenaufreibend.»
Schuttstrom sorgt für Erleichterung
In Vazerol konnte man das Grollen der Felsblöcke nie hören und so wurde Sonja Christen in der Nacht auf Freitag auch nicht vom grossen Schuttstrom geweckt. Am Freitagmorgen dann gingen sie zu höher gelegenen Wiesen, um das Vieh für den Alpaufzug zu holen und sahen, was der Berg angerichtet hat: «Die Strasse nach Lenz war total zugeschüttet, aber die Häuser nicht. Das ist super», sagt Sonja Christen. Auch sonst ist da ein grosses Stück Erleichterung: «Psychisch ist es gut, dass mal etwas passierte, was man sieht», sagt sie. Zwar hat sie jeweils auf dem Weg nach Bergün zur Arbeit gesehen, dass sich der Berg täglich verändert, aber die herunterstürzenden Felsblöcke sei man sich in Brienz schon lange gewohnt gewesen.
Am Ende hatte die Familie Christen Glück mit der Planung: Noch am Donnerstag holte Sohn Matthias den Viehwagen in Alvaneu, um die Kälber von der Weide zu holen. Am Freitagvormittag dann war die Strasse nach Alvaneu gesperrt. Die Kälber wurden mit dem Lastwagen auf einem grossen Umweg via Chur nach Avers auf die Alp gebracht.
Auch wenn die Erleichterung bei Familie Christen gross ist – ganz verschwunden ist die Ungewissheit noch immer nicht: «Wir wissen auch jetzt noch nicht, was der nächste Tag bringt», sagt Sonja Christen.