Zwangsarbeit, Ausbeutung und ungeklärte Todesfälle: Amnesty kritisiert Missstände in Katar einen Monat vor WM-Beginn
Katar, Gastgeber der Fussball-Weltmeisterschaft 2022, will sich im besten Licht präsentieren. Die Charmeoffensive hat auch die Schweiz erreicht: Ende September lud der katarische Botschafter in einer Berner Residenz zum Vor-WM-Empfang. Und wehrte sich gegen die Kritik bezüglich Menschenrechtsverletzungen in Katar: Vieles habe sich, gerade im Bereich des Arbeitsrechtes, zum Besseren gewendet. Nur würden dies die westlichen Staaten nicht genügend würdigen.
Trotz Reformen: Die Kritik reisst nicht ab
Tatsächlich ist in Katar einiges passiert. In den letzten Jahren hat die Regierung das Arbeitsrecht reformiert. So wurden etwa ein Mindestlohn eingeführt und die fast totale Abhängigkeit der ausländischen Gastarbeiter von ihren Arbeitgebern verringert. Dies geschah, nachdem die internationale Gemeinschaft jahrelangen Druck auf das Emirat und die Weltfussballorganisation Fifa ausgeübt hatte.
Doch bis heute reisst die Kritik nicht ab – sie wird, einen Monat vor WM-Start, gar immer lauter. Jüngst wegen homophober Gesetze und Einschränkungen der Pressefreiheit. Aber auch die arbeitsrechtlichen Missstände sind nicht behoben, wie Amnesty International nun publik macht.
Menschenrechtsverletzungen sind weiterhin verbreitet
Die Menschenrechtsorganisation hat am Donnerstag einen Bericht veröffentlicht, in dem sie die aktuelle Arbeitssituation in Katar untersucht hat. Dabei stützt sich Amnesty unter anderem auf Gespräche mit katarischen Gastarbeitern, die im laufenden Jahr geführt wurden.
Und das Fazit ist weiterhin düster – trotz «wichtiger Reformen», welche die Arbeitsbedingungen von Hunderttausenden Menschen verbessert hätten, wie Amnesty schreibt. Menschenrechtsverletzungen seien «weiterhin verbreitet», heisst es im Bericht.
Tausende Todesfälle auf Baustellen: Katar streitet alles ab
Die Reformen würden «mangelhaft und ineffizient» umgesetzt. So müssten Arbeitsmigrantinnen und Gastarbeiter oft unter Bedingungen schuften, die Zwangsarbeit gleichkommt. Hausangestellte seien 14 bis 18 Stunden täglich im Einsatz – ohne wöchentlichen Ruhetag. Angestellte im Sicherheitssektor würden unter Androhung von Strafen zum Arbeiten gezwungen. So würden etwa der Lohn willkürlich gekürzt oder der Pass beschlagnahmt.
Zudem verweist Amnesty auf Tausende Todesfälle von Arbeitsmigrantinnen und -migranten, die sich teilweise auf WM-Baustellen zugetragen hätten. Studien zufolge seien diese auf das «Arbeiten in der sengenden Hitze Katars» zurückzuführen. Katar dagegen streitet seit Jahren beharrlich ab, dass es zu solchen Todesfällen gekommen sei.
Auch der Fussball-Weltverband Fifa hat laut Amnesty eine «grosse Verantwortung». Durch den Entscheid, die WM ohne Bedingungen zur Verbesserung des Arbeitsschutzes an Katar zu vergeben, habe die Fifa zu einer Vielzahl von Missständen beigetragen. Auch seien die Warnungen der Menschenrechtsorganisationen bei der Fifa jahrelang auf taube Ohren gestossen.
Nun fordert Amnesty, die Fifa und Katar müssten ein umfassendes Wiedergutmachungsprogramm aufstellen, das die Wanderarbeiter und ihren Familien für Missbräuche und Todesfälle entschädigt. Diese Forderung unterstützen auch mehrere nationale Fussballverbände. Zudem seien die Arbeitsreformen «endlich vollständig umzusetzen» und zu «garantieren, dass diese auch nach der Fussball-WM eingehalten» würden.