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Schenken nach Geschlecht: Warum Puppen Angst vor Mathe machen können

Der Sohn bekommt Spielzeugautos zu Weihnachten, die Tochter Puppen. Muss das wirklich immer so sein? Expertinnen erklären, welche Folgen das später haben kann – auch für den Arbeitsmarkt.

Die Weihnachtszeit ist in vollem Gange. Gerade für Eltern heisst das: Geschenke kaufen. Doch müssen sich die Einkäufe für die Kinder – so wie es durch Marketing häufig nahegelegt wird – wirklich immer an den Geschlechterstereotypen orientieren? Oder sollte auch mal die Tochter einen Fussball oder der Sohn eine Puppe bekommen? Und was wollen die Kinder selbst?

Laut Doris Holzberger, Professorin für Psychologie des Lehren und Lernens an der Technischen Universität München, sind es weniger die Kinder, sondern besonders die Eltern, die das Spielzeug aussuchen. «Sie greifen dabei oft – bewusst oder unbewusst – auf die Geschlechterstereotype zurück, die sie selbst seit der Kindheit gelernt und verinnerlicht haben», erklärt Holzberger.

So bildeten Kinder von klein auf bestimmte Interessen stärker aus und verinnerlichten Rollenklischees mit der Zeit selbst. Unternehmen sprängen dann aus ökonomischem Interesse immer wieder auf den Zug auf und gestalteten Kampagnen, die die Stereotype weiter befeuern. «So werden Rollenklischees immer weitergetragen, und es ist gar nicht so einfach, sie aufzubrechen.»

Spielzeug stärkt die klassischen Rollenbilder

Die Bildungsforscherin erklärt zudem, wie das Spielzeug die klassischen Rollenbilder langfristig stärkt: Spielzeug wecke das Interesse für bestimmte Themen. «Stehen Kindern also nur geschlechtertypische Spielzeuge zur Verfügung, verinnerlichen sie damit althergebrachte Geschlechterrollen und entwickeln auch entsprechende Fähigkeiten und Interessen.»

So sei es bei Jungen, die nur mit Technik- oder Konstruktionsspielzeug spielen, wahrscheinlicher, dass sie ein Interesse für technische und naturwissenschaftliche Fächer sowie mehr Vertrauen in ihre eigenen Fähigkeiten entwickeln. «Sie sind weniger ängstlich, haben eine höhere Selbstwirksamkeit und eine innere Motivation, erfolgreich in naturwissenschaftlichen Fächern zu sein.»

Mädchen dagegen, die nur mit geschlechtertypisch weiblichem Spielzeug spielen, fehle diese Erfahrung, sodass sie in diesen Bereichen dann womöglich weniger Interesse haben und sich selbst als weniger kompetent wahrnehmen. «Sie verbinden dann eher negative Emotionen wie Angst mit Fächern wie Mathe oder Physik und schreiben diesen Fächern ausserdem einen niedrigeren Wert zu», sagt Holzberger.

Autorin Schnerring nimmt Unternehmen in die Pflicht

Autorin und Journalistin Almut Schnerring hat sich unter anderem für ihr Buch «Die Rosa-Hellblau-Falle» mit dem Thema Rollenklischees in der Kindheit auseinandergesetzt – und deren Verbreitung nachgewiesen. Sie kritisiert, dass Unternehmen diese Geschlechterstereotype beim Kinderspielzeug bewusst bedienen.

«Firmen setzen auf Gendermarketing, weil sie sich eine Umsatzsteigerung erhoffen, und aktuell klappt das auch noch: Trotz sinkender Geburtenraten nimmt der Umsatz in der Spielwarenbranche zu.» Haben Eltern beispielsweise einen Sohn und eine Tochter, wird Spielzeug häufig neu gekauft statt weitergegeben.

Schnerring warnt obendrein: «Gendermarketing zieht die Normen enger und vermittelt vielen Kindern, falsch zu sein. Es kommt jenen entgegen, die der Norm entsprechen, aber wer tut das schon in allen Bereichen?» Das Gendermarketing untergrabe daher die Individualität der Kinder sowie deren Chancen, sich frei zu entwickeln – und damit Kinderrechte.

Das genderstereotypische Marketing belege letztlich, dass die Geschlechterrollen eben nicht natürlich gegeben seien. «Denn wenn es in der Natur läge, dass Mädchen Puppen wollen und Jungen Bagger, dann muss die Frage erlaubt sein, wozu die Spielzeugindustrie so immense Summen investiert, um ihre Produkte nach Geschlecht zu labeln und mit Herzchen oder Blitzen zu markieren», merkt Schnerring an.

Kinder merken schnell, wenn sie nicht in die Norm passen

Die Kinder, die sich für Spielzeug oder Kleidung entscheiden, das nicht ihrem biologischen Geschlecht entspricht, merken laut der Autorin schnell, dass diese Wahl nicht in die Normen der Erwachsenen passt. «Gendermarketing zieht einen Graben zwischen Kinder und produziert Unterschiede, wo Kinder keine machen würden.»

Ein Beispiel dafür sei ein grundsätzlicher Gegenpol, den schon Dreijährige verinnerlicht hätten: Jungs müssten cool und Mädchen schön sein. «Während Jungen häufiger Komplimente bekommen für ihr Handeln, erleben Mädchen häufiger, dass ihr Aussehen bewertet wird. Spielzeug spiegelt diesen unterschiedlichen Umgang mit Kindern wider», betont die Expertin.

Jungen bekämen häufiger Spielzeug, das sich für draussen eignet und zur Bewegung einlädt, Mädchen dagegen mehr Spielzeug, das mit Haushalt und Schönheit zu tun hat. «Und diese binäre Trennung durch die Erwachsenen beginnt in einem Alter, in dem Kinder selbst noch gar keine Wünsche äussern.»

Das hat langfristige Folgen für die Wirtschaft: «Es ist ja kein Zufall, dass der Fachkräftemangel in genau den Berufen am grössten ist, in denen die Geschlechtertrennung am stärksten ist und Klischees am stärksten wirken: Handwerk, MINT und Pflege», sagt Schnerring.

Wie kann man mit den Stereotypen brechen?

Doch was könnte gegen diese limitierenden Rollenbilder getan werden? Schnerring zufolge sollten sich zum einen Eltern und pädagogische Fachkräfte häufiger mit Kommentaren oder Bewertungen zurückhalten, wenn etwas passiert, was nicht den eigenen Erwartungen entspricht – wenn beispielsweise der Junge gerne mit einer Puppe spielen möchte. Zum anderen brauche es Menschen, die widersprechen, wenn andere über untypische Entscheidungen urteilen und Witze machen. «Vor allem dann, wenn ein Kind es hört.»