Nach Skandal bei Unterschriften-Sammlung: Wie schützen sich Komitees im Aargau vor möglichen Betrügern?
«Ein Unterschriften-Bschiss erschüttert die Schweiz». So titelt der «Tages-Anzeiger» am Montag.
Worum geht es? Ein Initiativkomitee hat Probleme, die 100’000 Unterschriften für eine nationale Initiative rechtzeitig zusammenzubekommen. Also wendet es sich an eine Firma, die verspricht, «validierte» Unterschriften zu beschaffen. Doch viele der Unterschriften sind ungültig. Unter anderem tauchen Adressen auf, die es gar nicht gibt. Und angebliche Unterzeichner leben seit Jahren nicht mehr in der angegebenen Gemeinde. Oder das Geburtsdatum stimmt nicht.
Service Citoyen, das Initiativkomitee, hat daraufhin Strafanzeige bei der Bundesanwaltschaft eingereicht. Gemäss Angaben des «Tages-Anzeigers» umfasst das Beweismaterial 236 Seiten.
Drei Aargauer Initiativen unter der Lupe
Im Kanton Aargau gelten mehrere Volksinitiativen als «hängig». So etwa die Initiative zum Stimmrechtsalter 16 oder die Initiative «Arbeit muss sich lohnen». Zudem läuft die Unterschriftensammlung für die Initiative «Blitzerabzocke stoppen» noch bis am 21. September.
Damit eine Initiative zustande kommt, braucht es innert einer Sammelfrist von zwölf Monaten die Unterschriften von 3000 Stimmberechtigten.
Wie ist die Handhabung bei Initiativkomitees, die für kantonale Initiativen im Aargau auf Unterschriftensammlung gehen? Die AZ hat nachgefragt.
Samuel Hasler: Man kennt jene, die sammeln und unterschreiben
Für die kantonale Initiative «Arbeit muss sich lohnen – Schluss mit Langzeitbezügern» ist Samuel Hasler (SVP) mitverantwortlich. Er sagt, dass er sich nicht erinnern könne, je bei einer Initiative «übernormale Ungültigkeiten» gehabt zu haben. Er spricht von rund zehn Prozent ungültigen Unterschriften. Das sei in etwa normal.
Hasler sagt, dass nur Personen, die dem Initiativkomitee angehören oder eine Nähe zur Partei haben, Unterschriften sammeln. So sei es auch relativ einfach, zurückzuverfolgen, wer wo gesammelt hat, falls es mal zu Unregelmässigkeiten kommen sollte. Einerseits, weil man in ländlichen Gemeinden die Personen kenne, die unterschrieben habe, aber auch jene, die die Unterschriften gesammelt haben, erklärt Hasler.
Tim Voser: So gehen wir im Fall von Unregelmässigkeiten vor
Ähnlich geht es Tim Voser. Er ist Präsident der Jungfreisinnigen Aargau und Kopf der Initiative «Blitzerabzocke stoppen! Kein Blitzerwildwuchs im Kanton Aargau». Das Initiativkomitee habe das Credo, die Unterschriften selbst zusammenzubringen und nicht auf externe Firmen angewiesen zu sein.
Dazu kommt, dass Voser und Vizepräsident Etienne Frei die Unterschriften regelmässig selber von Hand sortieren, offensichtlich falsche bereits aussortieren und selbst verpacken. «Wir haben nie gross Unregelmässigkeiten festgestellt», sagt Voser.
Zudem habe man auch die Personen, die die Unterschriften sammeln, instruiert und auf mögliche Fehler, die Unterzeichnende machen könnten, hingewiesen. Und die Sammlerinnen und Sammler visieren ihre Blätter selbst mit dem Kürzel, sodass man im Falle von übermässig vielen ungültigen Unterschriften das Gespräch mit der Person suchen und mögliche Fehler eruieren könnte, erklärt Voser. Die Ungültigkeitsquote bei der aktuellen Sammlung liege bei rund zehn Prozent.
Peter Weihrauch: Beglaubigungen selbst machen
In die gleiche Kerbe schlägt Peter Weihrauch. Er gehört den Jungen Grünen an und ist Präsident des Initiativkomitees «Für eine Demokratie mit Zukunft (Stimmrechtsalter 16 im Aargau)», die von verschiedenen Aargauer Jungparteien unterstützt wird.
Weihrauch sagt, man gehe mit Freiwilligen auf Unterschriftenfang und habe nur Personen aus den Jungparteien dafür mobilisiert. Es gebe auch interne Anreize, etwa eine kleine Belohnung für eine gewisse Anzahl Unterschriften. Auch die Beglaubigungen mache man selbst. Bei der Initiative zum Stimmrechtsalter 16 habe man rund elf Prozent ungültige Unterschriften, sagt Weihrauch.
Eine externe Firma zum Sammeln der Unterschriften zieht niemand der drei Befragten bei. Das ist auch eine Frage des Budgets.
Was macht der Kanton bei Auffälligkeiten?
Eingereicht werden müssen die Initiativen jeweils bei der Staatskanzlei des Kantons Aargau. Auch sie hat vom Skandal, über den der «Tages-Anzeiger» berichtet hat, Kenntnis genommen.
Die Unterschriften werden zunächst von den Gemeinden geprüft und bescheinigt. So gelangen nur gültige Unterschriften zur Staatskanzlei. Diese überprüft die Listen erneut auf Auffälligkeiten. Dabei werden die bescheinigten und gültigen Unterschriften noch einmal gezählt, erklärt Peter Buri, Sprecher des Aargauer Regierungsrats.
Wie würde die Staatskanzlei bei Unregelmässigkeiten vorgehen? Buri: «Das genaue Vorgehen hängt vom konkreten Vorfall respektive Verdachtsfall ab. Denkbar sind Massnahmen von der Kontaktaufnahme mit dem Initiativkomitee oder den Gemeinden bis hin zu einer Strafanzeige.» In den vergangenen Jahren habe es bei kantonalen Volksinitiativen aber nie Anzeichen gegeben, dass etwas nicht mit rechten Dingen zu- und hergegangen sei. Auch von den Gemeinden seien keine entsprechenden Meldungen an die Staatskanzlei erfolgt.
Gute Neuigkeiten gibt es auch für die drei Initiativen «Blitzerabzocke stoppen», «Für eine Demokratie mit Zukunft (Stimmrechtsalter 16 im Aargau)» und «Arbeit muss sich lohnen». Auf die Frage, ob die Staatskanzlei über Auffälligkeiten informiert worden sei, lautet die Antwort von Peter Buri: «Nein.»