Heimlich bei Eingabe des PIN-Codes beobachtet: Mann bezieht mit fremder Bankkarte 4000 Franken
Mehrfacher betrügerischer Missbrauch einer Datenverarbeitungsanlage, heisst es etwas sperrig in der Anklageschrift. Was ist gemeint? An einem Sonntagmorgen im August 2019 hat Stefano (Name geändert) zusammen mit einem anderen – unbekannten – Mann an einem Bancomaten im Hauptbahnhof Zürich zweimal Bargeld bezogen, insgesamt 4000 Franken.
Die beiden verwendeten dabei die Maestro-Karte eines Mannes, den sie zuvor an der Street Parade kennen gelernt hatten und heimlich bei der Eingabe seines PIN-Codes beobachten konnten. Später, auf dem Heimweg nach einem langen Barbesuch, entwendeten sie sein Portemonnaie.
Mobiltelefon aus Hosentasche genommen und verkauft
Kürzlich musste Stefano vor dem Bezirksgericht in Aarau erscheinen. Eine Reihe von weiteren strafbaren Handlungen wurden ihm zur Last gelegt: mehrfacher Raub, einfache Körperverletzung, versuchte Nötigung, Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz sowie mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes. An einem Donnerstagnachmittag im März 2019 begab sich Stefano gemäss Anklageschrift zusammen mit seinem Bruder zu einem Mann in der Region und verlangte 400 Franken. Stefano entriss ihm das Portemonnaie, fand darin jedoch kein Geld. In der Folge nahm er dem Mann das Mobiltelefon aus der Hosentasche und verkaufte es einige Tage später an eine unbekannte Person in Aarau.
Weiter hat Stefano gemäss Anklageschrift verschiedene Drogen verkauft und Marihuana sowie Kokain konsumiert, auch mit seiner damaligen Verlobten in der gemeinsamen Wohnung. Bei einem Streit gab er ihr eine Ohrfeige. Die Frau prallte mit dem Kopf gegen die Kücheneinrichtung und fiel zu Boden.
Die Aussage mehrmals verweigert
Vor dem Gesamtgericht war die damalige Verlobte als Zeugin anwesend. Sie wurde von einer Polizistin in den Saal begleitet und getrennt befragt. Gesundheitlich wirkte sie sichtlich angeschlagen, antwortete undeutlich auf die Fragen von Gerichtspräsident Reto Leiser. Sie nehme starke Medikamente, sagte die 38-Jährige. An den Vorfall erinnern könne sie sich nicht. Sie habe keine Ahnung, warum sie hier sei, um was es gehe. Ob Stefano bestraft werden soll, wurde sie gefragt. Eigentlich nicht, antwortete die Frau. Sie möchte nicht, dass ihm etwas Schlimmes passiere.
«Ich kann mich nicht erinnern», sagte auch der beschuldigte Stefano mehrmals – oder er verweigerte die Aussage. Einzig zu seiner Person gab er Auskunft. Der 29-jährige Aargauer wohnt zurzeit bei seiner Grossmutter, hat keine Ausbildung absolviert, arbeitet an zwei Orten in Teilzeitpensen und erzielt einen bescheidenen Verdienst. Das Sozialamt helfe ihm, sagte er, und er sei wegen seiner Hüfte bei der Invalidenversicherung angemeldet. Schon in der Vergangenheit ist Stefano mit dem Gesetz in Konflikt geraten.
Sachverhalt erstellt oder fehlende Beweise?
Für den Staatsanwalt war der Sachverhalt in den einzelnen Punkten erstellt oder es bestanden keine unüberwindbaren Zweifel. Er beantragte eine teilbedingte Freiheitsstrafe von 36 Monaten, eine Busse von 500 Franken sowie den Widerruf einer früheren Geldstrafe. Der Beschuldigte zeige zu keinem Zeitpunkt Reue.
Der Verteidiger dagegen forderte – nach dem Grundsatz «in dubio pro reo» – einen Freispruch. Es fehlten die Beweise, die belegbaren, belastenden Aussagen. Was genau vorgefallen sein soll, sei nicht klar. Am Schluss bleibe grundsätzlich gar nichts.
Das Gesamtgericht fällte das Urteil nach rund einstündiger Beratung einstimmig, verurteilte den Beschuldigten zu einer bedingten Freiheitsstrafe von 20 Monaten sowie einer Busse von 500 Franken. Eine Geldstrafe aus dem Jahr 2015 – 70 Tagessätze à 80 Franken – wurde widerrufen. Zudem muss der Beschuldigte dem einen Geschädigten – Vorfall beim Bancomaten – Schadenersatz von 4000 Franken zahlen. Freigesprochen wurde der Beschuldigte vom Vorwurf der einfachen Körperverletzung, der versuchten Nötigung sowie des Vergehens gegen das Betäubungsmittelgesetz.