Raubüberfall am Aarauer Aareufer: Beinahe Landesverweis wegen Bier und Zigaretten
Im Sommer ist es wohl der gemütlichste Ort Aaraus: am Aareufer liegen, die Sonne geniessen, plaudern, dazwischen kurz in den Fluss springen, verweilen. Dies taten auch zwei Freunde im August 2020, sassen bei den Betonstufen nahe dem «Summertime» auf einem Badetuch, tranken ein Bier.
Wohl niemand würde erwarten, dass es an einem warmen Mittwochabend bei Tageslicht und einigen Personen rundherum zu einem Raubüberfall kommen könnte. So offenbar auch das Duo nicht, das den Überfall selbst ausübte – oder vor allem der Kollege des Hauptakteurs, der zuerst wie gelähmt danebenstand und nicht ins Geschehen eingriff.
«Ich hatte Panik, bin mir solche Dinge nicht gewohnt», sagte er an der Verhandlung vor dem Aarauer Bezirksgericht. Nichts sei geplant gewesen, nichts abgesprochen. Und auch der Hauptakteur selbst soll relativ spontan auf die Idee gekommen sein. Zuerst fragte er die zwei jungen Männer, die am Aareufer sassen, nach Zigaretten und erhielt auch welche. Doch dann griff er zum iPhone, das auf dem Badetuch lag. Damit nicht genug: Er zückte ein Messer, forderte Geld sowie das Handy des anderen Kollegen.
Doch diese gaben nichts mehr heraus. So packte der Haupttäter ihren Rucksack, der am Boden lag. Die beiden Opfer liefen weg, machten andere Personen in der Umgebung auf den Raub aufmerksam, wollten mit dem nicht geklauten Handy die Polizei verständigen. Da wurde der Partner des Haupttäters aktiv, versuchte, zu beschwichtigen, und bat, die Polizei nicht anzurufen.
Unterdessen durchwühlte der Haupttäter den Rucksack, fand dort nur ein Bier und sonst keine Wertgegenstände. Ohne Rucksack lief das Duo dann davon, das geklaute iPhone liessen sie wenige Meter weiter bei einem Container zurück. Eine Packung Zigaretten und ein Bier behielten sie aber.
Hintergrund: Alkoholsucht
Trotz geringer Beute hätte es für den rund 40-jährigen Haupttäter, einen iranischen Kurden, beinahe 30 Monate Gefängnis und einen achtjährigen Landesverweis gegeben. Doch: Beide Angeklagte sind alkohol- und wohl auch drogensüchtig, lernten sich in einer Langzeittherapie kennen. Am Abend zuvor war der kurdische Haupttäter mit 4,4 Promille und Kokain im Blut ins Kantonsspital eingeliefert worden. Er wurde am Tattag gegen Mittag entlassen und ging zur Wohnung des Schweizer Mittäters, wo sie im Verlauf des Nachmittags gemeinsam fast eine Whiskyflasche leerten.
Als sie dann zur Aare liefen, hatte der Haupttäter 2,1 Promille intus, der Mittäter 1,34. Ab 2 Promille wird von verminderter Schuldfähigkeit ausgegangen, argumentierte die Verteidigung und sprach von einem typischen «Verhalten eines Süchtigen» mit «geringer krimineller Energie». Der Haupttäter zeige aufrichtige Reue und habe sich selbstständig wieder in Therapie begeben.
Auffallend war an der Verhandlung sein schlechter Gesundheitszustand. Auf eine Therapie in der Schweiz sei er angewiesen, unter anderem wegen der Medikamente, die im Iran nicht erhältlich seien, sagte die Verteidigung. Er kam als Kind in die Schweiz, hat hier Schule und Kochlehre absolviert. Die Mutter wohnt in der Region, der Vater ist kürzlich verstorben.
Beim Mittäter, auch etwa um die 40, starb die Mutter früh, er wuchs beim inzwischen ebenfalls verstorbenem Vater auf, Alkoholiker, wie auch sein Bruder. Er hat zwei Kinder im Teeniealter mit zwei verschiedenen Frauen und lebt vom Sozialamt, beginnt aber bald ein Praktikum, die Situation bessere sich.
Strafe teilweise unbedingt
Das Urteil des Gesamtgerichts: 18 Monate Freiheitsstrafe für den Haupttäter, davon sechs unbedingt, da «eine gewisse Rückfallwahrscheinlichkeit» vorliege. Dazu eine Busse über 100 Franken, aber kein Landesverweis.
Der Mittäter erhielt neun Monate bedingt während dreier Jahre und 500 Franken Busse. Er sei zwar nur passiver Begleiter gewesen, habe durch seine Anwesenheit aber die Tat gefördert.