Mit dem Fahrausweis auch den Job verloren: Zwei Raser haben sich vor Gericht verantworten müssen
Die Fahrt über den Zurziberg oder jene auf der Rheintalstrasse haben schon gar so manchen motorisierten Verkehrsteilnehmer dazu verführt, etwas allzu sehr aufs Gaspedal zu drücken. Für einen Auto- und einen Motorradfahrer hatte dies einschneidende Folgen, an denen sie noch lange zu kauen haben.
Unabhängig voneinander, aber zufällig am selben Tag mussten sich der 28-jährige Aslan (alle Namen geändert) und der 39-jährige Knut vor Bezirksgericht Zurzach verantworten. Beide waren angeklagt der qualifizierten Verletzung der Verkehrsregeln. Vereinfacht ausgedrückt wurden zwei Raser verurteilt. Da beide sowohl den Schuldspruch, als auch die Sanktionen akzeptiert haben, kam es zu einem sogenannten abgekürzten Verfahren.
Mit 146 Stundenkilometern auf der Rheintalstrasse
Der Deutsche Aslan war im März dieses Jahres aus Frankfurt in die Schweiz gekommen, hatte die Bewilligung B bekommen und eine Stelle als Geomatiker angetreten. Am Nachmittag vom 19. Mai war er auf der Rheintalstrasse am Steuer seines Audi A3 mit 146 km/h geblitzt worden und damit – nach Toleranzabzug – mit 62 km/h zu viel.
Damit war Aslan nicht nur den Fahrausweis, sondern auch den Job, den er rund zweieinhalb Monate vorher angetreten hatte, los. Der im Baselland lebende Deutsche – schwarzes Haar mit Undercut und 5-Tage-Bart, schwarze Trainerhose, Nike-Sportschuhe und grauer Pulli – ringt sich zwar zu einem «das ist mir alles sehr unangenehm» durch, zeigt sich ansonsten vor Schranken aber äusserst bockig.
Wovon, so Gerichtspräsident Cyrill Kramer, er denn nun lebe? «Vom Ersparten.» Und wie viel das sei? «3000 Franken.» Davon könne er doch nicht leben. «Seit Juni – oder wars Juli oder August – beziehe ich Sozialhilfe.» Ob er eine neue Stelle in Aussicht habe? «Ja, heute kann ich um 23 Uhr dort beginnen.» Wo? «In der Lebensmittelbranche.» Als der Richter Genaueres wissen will, sucht Aslan auf seinem Handy widerwillig Namen und Adresse des vorübergehenden Arbeitgebers heraus.
Dem Richter riss der Geduldsfaden
Auf Kramers Frage, wie Aslan – in Deutschland vorbestraft, allerdings nicht einschlägig – von seinem Wohnort, einer grossen Ortschaft vor den Toren Basels, nach Bad Zurzach gelangt sei, druckst der Angeklagte herum. Schliesslich stellt er ein mürrisches «mit dem Zug» in den Raum. Zu näheren Angaben aufgefordert, tischt er verschiedene unpräzise, diffuse und sich widersprechende Versionen auf.
Er wolle, so Kramer, endlich die Wahrheit und keine weiteren Lügen hören, worauf Aslan die Variante ÖV fallenlässt: Sein Bruder habe ihn mit dem Auto im Baselbiet abgeholt und hergefahren. Wo der Bruder jetzt sei? «Zuhause». Wo das sei? «In Deutschland.»
Damit riss der richterliche Geduldsfaden endgültig und Cyrill Kramer schloss die Befragung, um nach kurzer Beratung den vorliegenden Schuldspruch und die Sanktion zum Urteil zu erheben: Ein Jahr Freiheitsstrafe, bedingt auf drei Jahre. Ferner muss der Verurteilte 1000 Franken Busse, die Untersuchungskosten sowie Anklage- und Gerichtsgebühr bezahlen – summa summarum rund 3300 Franken.
«Es darf absolut nichts mehr passieren», so der Richter zum Schluss. Aslan sei Gast in diesem Land und müsse sich an unsere Gesetze halten, sonst schreite eines Tages das Migrationsamt ein. «Mit der Haltung, die Sie hier an den Tag gelegt haben, kommen sie nicht weit.»
Töffraser auf dem Zurziberg
Knut – auch er deutscher Staatsbürger – lebt seit elf Jahren in der Innerschweiz. Am Gründonnerstag dieses Jahres war er auf seiner Suzuki im Aargau unterwegs. Den Fahrausweis für das Motorrad hatte er noch nicht lange, als er um 14.30 Uhr vom Flecken kommend über den Zurziberg in Richtung Tegerfelden geblitzt wurde: Nach einem Überholmanöver hatte Knut die Maschine auf 154 km/h beschleunigt. Damit hatte der 39-jährige Mechaniker die Höchstgeschwindigkeit um 69 km/h überschritten.
Vor Gericht sass auch Knut – eine unauffällige Erscheinung in Jeans, sportliche weiss-schwarze Jacke – nicht lange, wurde über seinen Fall doch ebenfalls in einem abgekürzten Verfahren verhandelt. Bereitwillig gab er an, dass seine Freundin ihn im Auto nach Bad Zurzach gefahren hat und, ja, sie seien über den Zurziberg gefahren. Wie hat er sich dabei gefühlt? «Da habe ich erst so richtig gesehen, wo die Polizei gestanden hatte.»
Wie hat die Freundin reagiert? «Damals, als sie es erfahren hat, war sie schon sauer.» Knut hatte ebenfalls nicht nur den Fahrausweis, sondern auch den Job bei einem Auto-Center verloren. Inzwischen arbeitet er in einer anderen Branche und verdient 5500 Franken monatlich.
Schulden hat er ebenso wenig wie eine Vorstrafe. «Es war dumm gelaufen und es tut mir leid. Ich bin kein Raser und will so etwas auch nicht mehr tun.» Knut hofft sehr, dass er das «Billett» möglichst bald wieder bekommt, ist sich aber bewusst, dass es «noch mindestens eineinhalb Jahre dauert».
Das Verdikt für den 39-Jährigen: 14 Monate Freiheitsstrafe, bedingt auf zwei Jahre, 2000 Franken Busse und Übernahme der Verfahrenskosten sowie der Anklage- und Gerichtsgebühren.