Auffahrunfall mit 1,44 Promille: «Ich war sicher angeschickert, aber den Vorwurf der Nichtbeherrschung des Fahrzeugs finde ich nicht ganz richtig»
«Ich hätte sicher nicht mehr fahren dürfen», erklärte die Beschuldigte kürzlich vor dem Bezirksgericht Baden. Vorgeworfen wurden der Mittvierzigerin Fahren in fahrunfähigem Zustand, Verletzung der Verkehrsregeln durch Nichtbeherrschung des Fahrzeugs sowie durch mangelnde Aufmerksamkeit.
Der Anklage zugrunde lag ein Auffahrunfall. Die Beschuldigte war mit ihrem Personenwagen in das vor ihr fahrende Fahrzeug geprallt, dessen Lenker das Tempo wegen eines entgegenkommenden Schwertransports verlangsamt hatte. Die Polizei hatte dann die Beschuldigte einem Alkoholatemtest unterzogen, der 0,8 Promille anzeigte. Die Blutalkoholbestimmung, die von der Staatsanwaltschaft angeordnet wurde, ergab, dass die Beschuldigte zum Zeitpunkt des Auffahrunfalls 1,44 Promille intus hatte.
«Das dünkt mich sehr hoch», meinte sie dazu gegenüber Gerichtspräsident Patrick Jegge. «Ich bin selbst erschrocken. Ich war sicher angeschickert. Ich bekenne mich schuldig. Den Vorwurf der Nichtbeherrschung des Fahrzeugs finde ich aber nicht ganz richtig. Ich hatte kurz auf die Seite auf einen stehenden Lastwagen geschaut und mich gefragt: Wieso steht der da? Ich habe zu spät realisiert, dass der Wagen vor mir abbremste. Aber schlussendlich bin ich mir meiner Schuld bewusst.»
Angeklagte will beruflich wieder Fuss fassen
Sie sei an jenem Morgen von der Arbeit gekommen, erklärte die Beschuldigte, die an den Folgen eines Burnouts leidet, inzwischen arbeitslos ist und versucht, beruflich wieder auf die Beine zu kommen. «Ich war nach einem Gespräch mit der Chefin belastet», sagte sie. «Das hat mich durcheinandergebracht und emotional durchgeschüttelt.»
Sie habe darauf in einem Tankstellenshop zwei Zweierfläschchen Weisswein gekauft und im Auto getrunken und anschliessend in einem Restaurant zwei Stangen Bier. Alles innerhalb kurzer Zeit und auf nüchternen Magen. Auf die Frage des Richters, ob sie ein Alkoholproblem habe, räumte die Beschuldigte ein: «Ich hatte mal eines.»
Auf den Vorhalt, dass der Vorfall in die Probezeit für eine Verurteilung wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit falle, bei der ihr der bedingte Erlass einer Geldstrafe gewährt worden war, meinte sie: «Dazu kann ich keine Auskunft geben. Aber seit vergangenem Dezember trinke ich keinen Alkohol mehr. Das als Lebensvorsatz, nicht als Neujahrsvorsatz.»
In eigener Sache erklärte die Beschuldigte: «Ich habe zwei sehr heftige Jahre hinter mir. Das hat alles etwas dazu beigetragen. Damit will ich aber nichts rechtfertigen. Ich hoffe auf eine Anpassung der Geldstrafe und ich versichere, dass ich niemals mehr vor Gericht werde erscheinen müssen.»
Das Gericht verurteilte die Beschuldigte wegen Fahrens in fahrunfähigem Zustand zu einer unbedingten Geldstrafe von 50 Tagessätzen zu je 50 Franken (total 2500 Franken). Die Staatsanwaltschaft hatte eine unbedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen zu je 110 Franken (total 19’800 Franken) beantragt. Das Gericht verzichtete auf den Widerruf des bedingten Erlasses der Geldstrafe wegen Vereitelung von Massnahmen zur Feststellung der Fahrunfähigkeit, sprach aber eine Verwarnung aus und erhöhte die Probezeit um ein Jahr auf drei Jahre.
Die Höhe der Strafe sei angemessen, erklärte Gerichtspräsident Jegge zum Urteil. Bei der Höhe der Geldstrafe sei die gegenwärtige Situation der Beschuldigten berücksichtigt worden. «Die frühere, bedingt ausgesprochene Geldstrafe blieb ohne Signalwirkung», betonte er. «Daher muss eine unbedingte Strafe erfolgen.» An die Stelle des Widerrufes des bedingten Erlasses der früheren Strafe trete die Verwarnung und die Verlängerung der Probezeit. «Dieses Damoklesschwert haben Sie über sich», sagte er zur Beschuldigten. «Ich vertraue aber auf Ihre Worte.»