Junger Mann verfällt illegalen Pornos – jetzt sagt er: «Meine Libido ist ruhiger geworden»
Als in den frühen Morgenstunden eines Mittwochs im Februar 2021 Polizisten Einlass in die Wohnung einer dreiköpfigen Familie begehrten, fielen die Eltern aus allen Wolken. Im Focus der Beamten war der 25-jährige Sohn Enrico (Name geändert). In dessen Zimmer beschlagnahmten sie ein Mobiltelefon und drei Harddisks. Enrico nahmen sie für gut fünf Stunden fest. Beschuldigt der mehrfachen Pornografie musste er sich kürzlich in Baden vor Einzelrichterin Gabriella Fehr verantworten.
Der Staatsanwalt warf Enrico vor, ab 2013 mindestens 502 Bild- und Videodateien mit Kinderpornografie, mindestens 181 solche mit Tierpornografie sowie 6 Dateien mit Gewaltpornografie besessen und einen ansehnlichen Teil davon anderen Nutzern zugänglich gemacht zu haben.
Allein die drei in der Anklageschrift aufgeführten Beispiele machen klar, welche unbeschreiblichen Abartigkeiten und sadistischen Grausamkeiten sich Enrico ab seinem 18. Lebensjahr zu Gemüte geführt hatte. Normale Pornos hätten bei ihm nichts bewirkt. So habe er – immer in der Hoffnung, erregt zu werden – immer noch härtere Pornos konsumiert, sagt der heute 28-Jährige. Hat er auch welche gelöscht? «Ein paarmal, aber dann behielt ich sie.»
Der hier geborene und aufgewachsene Italiener spricht gedämpft, emotionslos, blickt stur auf seine gefalteten Hände. Enrico hat ein Bubengesicht mit rosigen Wangen, aber er ist gross und kräftig, wenn auch nicht schlank. Zwei Studienlehrgänge hatte er jeweils rasch abgebrochen, mit einem Praktikum in einem Bürojob in der Tasche ist er seit Monaten auf Arbeitssuche. «Ich habe viele Absagen.» Nachdem die Polizei ihm auf die Schliche gekommen war, hat Enrico eine Therapie angefangen.
Medikamente gegen Depression
Als Auskunftsperson erwähnt der Psychologe die «unsichere Persönlichkeitsstruktur» von Enrico und dessen «depressive Störung», die gegenwärtig medikamentös behandelt werde. «Grundsätzlich heterosexuell und nicht pädophil, hat er den Reiz in der Grenzüberschreitung gesucht und dabei die Toleranzgrenze bis zum suchtartigen Konsum gesteigert.» Gegenwärtig werde Enricos Therapie durch den Besuch einer Tagesklinik unterstützt.
Das sei, so der Beschuldigte, in Ordnung, solange er keinen Job habe. Dank der Therapie und dem Antidepressivum fühle er sich nicht mehr so allein. «Meine Libido ist ruhiger geworden und ich schlafe besser ein. Ich hatte seither zwar einen Rückfall, aber nur mit Softporno». Bei den Eltern wohnhaft, verbringe er die Tage mit Jobsuche, spazieren, einkaufen, kochen und dem Hund spazieren gehen. «Neuerdings treffe ich ab und zu auch alte Schulfreunde und gehe zu einem Fussballspiel.»
Der Staatsanwalt forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von 12 Monaten, verbunden mit der Weisung, die ambulante Psychotherapie während der Dauer der zweijährigen Probezeit fortzusetzen und sich über deren Verlauf vierteljährlich dem kantonalen Amt für Justizvollzug vierteljährlich auszuweisen.
Gemäss Ankläger soll Enrico ferner mit 3500 Franken Busse und 5 Jahren Landesverweisung zu bestrafen sein. Zu diesen Anträgen hatte Enrico nur eine Bemerkung: «Ich gehe lieber in den Knast, als des Landes verwiesen zu werden.»
Ohne Therapie droht ihm Gefängnis
Die Verteidigerin betonte, ihr Mandant habe gegenüber der Polizei, dem Staatsanwalt und vor Gericht auf alle Fragen offen und ehrlich geantwortet. «Seine Steuerungsfähigkeit war aufgrund seiner Sucht eingeschränkt. Die Dateien hat er unbewusst, also nicht vorsätzlich an andere User weitergeleitet. Das war reine Fahrlässigkeit.»
Dass Tierpornografie verboten ist, habe Enrico nicht gewusst und bezüglich der Gewaltpornos sei er überzeugt gewesen, dass alles bloss simuliert worden sei. Nicht vorbestraft, von Anfang an geständig und getrieben von seiner Sucht, sei eine bedingte Geldstrafe von 7000 Franken angemessen.
Gabriella Fehr sprach Enrico schuldig gemäss Anklage: 12 Monate Freiheitsstrafe bedingt auf zwei Jahre, verbunden mit der geforderten Weisung auf Fortführung der Therapie. «Wenn sie diese abbrechen, droht ihnen das Gefängnis.»
Die Busse reduzierte die Richterin auf 1500 Franken, von einer Landesverweisung sah sie ab. «Die Menge von fast 700 Dateien mit verbotenem Inhalt ist enorm, und dass Sie keine Ahnung davon hatten, dass Sie Ihre Dateien auch anderen zugänglich gemacht haben, glaube ich nicht. Aber ich teile die Einschätzung Ihres Therapeuten, dass eine Rückfallgefahr klein ist», schloss Richterin Gabriella Fehr.