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Gülle zur falschen Zeit ausgebracht: Das hat für den Landwirt drastische Konsequenzen 

Ein 51-jähriger Landwirt brachte im Januar Gülle auf seinen Feldern aus und wurde dafür verzeigt. Er wehrte sich dagegen vor dem Bremgarter Bezirksgericht erfolglos.  

Das wird Landwirt Thomas (Namen geändert) noch lange bedauern: Er gab im Januar 2022 dem Agrardienstleister Michael den Auftrag, auf seinen drei Feldern Gülle auszubringen. Zwei Mitarbeiter des Wynentaler Unternehmers erschienen auf dem Freiämter Hof, pumpten die Gülle in die Fässer und verteilten den Düngern auf Thomas‘ Feldern.

Das beobachtete jemand und meldete es der Polizei. Damals herrschten Temperaturen um 5 Grad, die Vegetation befand sich im Winterschlaf, und das Ausbringen von Gülle war nicht erlaubt. Die Polizei erschien auf dem Feld und stoppte das Tun. Wenig später flatterte ein Strafbefehl in die Briefkästen der beiden Landwirte. Während Michael diesen akzeptierte, anerkannte Thomas ihn nicht.

Deshalb trafen sich die beiden vor dem Bremgarter Bezirksgericht und dem Gerichtspräsidenten Raimond Corboz. Im Mittelpunkt der gut drei Stunden dauernden Verhandlung stand die Frage, welche Temperaturen an besagtem Tag herrschten. Grundsätzlich ist das Ausbringen von Gülle im Dezember und Januar verboten. Die Regel gilt aber nicht, wenn an sieben aufeinanderfolgenden Tagen Temperaturen von mindestens 5 Grad herrschen.

Zum Unglück kam auch noch Pech dazu

An dieser Frage schieden sich die Geister. Denn Thomas erklärte Gerichtspräsident Corboz, dass es auf seinen etwas höher gelegenen Feldern in den Wintermonaten immer einige Grad wärmer sei als bei der Messstation, die sich weiter unten und in einiger Entfernung befindet. Dieses Phänomen habe sogar der «Wetterpapst» des Schweizer Fernsehens so beschrieben. Zum Beweis legte er dem Richter zudem Fotos seines Thermometers vor, das an diesem Tag deutlich höhere Temperaturen anzeigte.

Den Hinweis von Corboz, dass sich das Messgerät an der prallen Sonne befand, liess er nicht gelten. Er habe an diesem Januartag die Temperatur auf dem Boden des Feldes gemessen, und es habe mehr als 5 Grad angezeigt.

Zudem habe er, wie dies auf dem Merkblatt des Kantons aufgeführt ist, den Schraubenzieher in den Boden gesteckt, um zu prüfen, ob dieser gefroren sei. Auf den Bildern, welche die Kantonspolizei an diesem Tag schoss, ist deutlich zu sehen, dass die Wiese mit Raureif überzogen war.

Das Pech klebte Thomas in diesen Januartagen an den Sohlen. Einige Tage bevor er die Gülle ausbringen liess, brach die Wasserleitung beim Güllenbecken. Das Wasser floss ungehindert in das Becken. Nun lag die Vermutung nahe, dass der Landwirt gar nicht anders konnte, als die Jauche auszubringen. «Wir hatten noch mehr als genug Platz im Güllenbecken. Ich wollte einfach auf Nummer sicher gehen und einen Teil davon ausbringen», verteidigte er sich.

«Dann muss ich den Betrieb schliessen»

Vor Gericht erschien auch Unternehmer und Landwirt Michael, der den Auftrag entgegennahm. «Ich habe mich versichert, dass man die Gülle dort ausbringen kann, es befindet sich kein Gewässer in unmittelbarer Nähe», erklärte er Corboz. Er kenne jedoch die Örtlichkeiten nicht, er müsse sich dabei auf die Schilderungen seiner Auftraggeber verlassen.

In einem ausufernden Plädoyer zweifelte Thomas‘ Anwalt an, dass die vom Staatsanwalt aufgeführten Temperaturen ein korrektes Bild der herrschenden Temperaturen auf den drei Feldern wiedergaben. Zudem seien diese gar nicht massgebend, sondern die Tatsache, dass Thomas feststellte, dass die Vegetationszeit bereits eingesetzt hatte.

In seinem letzten Wort beteuerte Thomas, dass er nach bestem Wissen und Gewissen gehandelt habe, und fügte an: «Wenn ich verurteilt werde, erhalte ich keine Direktzahlungen mehr. Dann muss ich den Betrieb schliessen.»

«Ich habe Verständnis für Ihre Lage»

Corboz verurteilte Thomas des fahrlässigen Ausbringens von Gülle auf nicht aufnahmefähigen Boden, der Staatsanwalt verurteilte ihn des Vorsatzes und beantragte 90 Tagessätze à 190 Franken. Corboz passte die Geldstrafe den knappen finanziellen Verhältnissen von Thomas an und reduzierte auf 70 Tagessätzen à 150 Franken, bedingt auf zwei Jahre. Die Busse von 1500 Franken muss der 51-Jährige jedoch bezahlen.

Corboz belegte Thomas‘ Verschulden mit den damals herrschenden Temperaturen und den Unstimmigkeiten seiner Aussage bei der Polizei. Michael verurteilte er des fahrlässigen Ausbringens von Gülle, auch ihn hatte die Staatsanwaltschaft der Vorsätzlichkeit verurteilt. Die bedingt ausgesprochene Geldstrafe sowie die Busse reduzierte Corboz ebenfalls.

Corboz schloss sein Urteil mit den folgenden Worten:« Ich habe Verständnis für Ihre Lage, Sie müssen sich an viele Regeln halten und können deren Notwendigkeit nicht immer nachvollziehen. Dennoch muss ich Sie verurteilen, selbst wenn dies finanzielle Konsequenzen für Sie hat.»