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Skurriler Betrugsfall: Mann fälscht Deutsch-Zertifikat für Niederlassungsbewilligung

Ein Mann fälscht ein Deutsch-Zertifikat, um eine Schweizer Niederlassungsbewilligung zu erhalten – doch das Bezirksgericht Bremgarten spricht ihn frei. Grund dafür sind Ermittlungsfehler der Staatsanwaltschaft, die gegen Regeln der internationalen Rechtshilfe verstiess.

Einen bizarren Fall hatte kürzlich der Bremgarter Gerichtspräsident Peter Thurnherr auf dem Tisch. Angeklagt war ein 35-jähriger Mann mit österreichischer Staatsbürgerschaft. Der deutschen Sprache war er jedoch nicht mächtig. Er beanspruchte für die Verhandlung eine Serbisch-Übersetzung.

Laut Anklageschrift bemühte sich der Mann um eine Niederlassungsbewilligung in der Schweiz. Dazu musste er seine Deutschkenntnisse nachweisen. Also mailte er dem Amt für Migration und Integration ein Deutsch-Zertifikat, das bestätigte, dass er im April des vergangenen Jahres im Prüfungszentrum in Belgrad das Zertifikat mündlich B1 und schriftlich A2 in deutscher Sprache erlangt hatte.

Damit wies er nach, dass er sich mündlich einfach, strukturiert und zu vertrauten Themen äussern kann, einfache Zeitungstexte, Anzeigen und Hinweistafeln sowie häufig gebrauchte Ausdrücke und Sätze in Alltagssituationen versteht.

Das Zertifikat war jedoch eine Fälschung. Die Staatsanwaltschaft konnte dies anhand mehrerer Merkmale nachweisen. Unter anderem fehlte ein Glanzstreifen am rechten Rand und ein QR-Code sowie die Zertifikationsnummer. Ausserdem stellte sie fest, dass die Bezeichnung der Prüfung falsch war und der Mann nicht in der Datenbank geführt und somit auch nicht zur Prüfung angetreten war.

Das Urteil musste vertagt werden

Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten erliess einen Strafbefehl wegen Urkundenfälschung und verurteilte ihn zu einer Geldstrafe von 140 Tagessätzen zu 130 Franken, aufgeschoben zugunsten einer Probezeit von zwei Jahren, sowie einer Busse von 3000 Franken. Dagegen erhob der 35-Jährige Einsprache.

Der Mann erschien mit seinem Pflichtverteidiger vor Gericht. Sein Anwalt kündigte an, dass sein Mandant keine Auskunft erteilt. Und so fiel die Befragung des Gerichtspräsidenten kurz aus. In seinem Plädoyer zerzauste der Anwalt des Mannes die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft. Er argumentierte, dass sein Mandant nachweisen konnte, dass er sich während der Prüfung in Belgrad aufgehalten habe. Er habe sogar die Strasse nennen können, in der sich das Sprachinstitut befand.

Ausserdem sei es versäumt worden, zu kontrollieren, wer die Prüfungsbestätigung ausgestellt und an seinen Klienten geschickt habe. Diese wurde nämlich aus Österreich versandt. Also hätte internationale Rechtshilfe gestellt werden müssen, damit die Urheber des Mails befragt werden konnten. Ausserdem sei es unterlassen worden, beim Sprachinstitut in Belgrad die Prüfungskommission zu befragen. Sein Fazit: «In dieser Anklageschrift wurde alles falsch gemacht.»

Gerichtspräsident Thurnherr musste seine Urteilsverkündung vertagen. Er müsse erst abklären, wie die Rechtslage in der internationalen Rechtshilfe sei. Nun ist das Urteil einige Wochen nach dem Gerichtsverfahren schriftlich eröffnet worden. Thurnherr sprach den Beschuldigten vom Vorwurf der Urkundenfälschung frei. Er begründet dies damit, dass die Anklage die Beweise – die im Ausland erhoben wurden – ohne die Regelungen der internationalen Rechtshilfe anwendete. Diese Beweise seien deshalb nicht verwertbar.