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Roller-Fahrer fälscht Nummernschilder und fährt ohne Führerausweis – jetzt kassiert er die Quittung

Zwei Jahre lang fährt ein Schweizer mit seinem Roller zur Arbeit – ohne Führerausweis und mit gefälschten Nummernschildern. Vor dem Richter gesteht er alles und zeigt sich reuig. Und obwohl er ins Gefängnis muss, atmet er auf.

Die erste Überraschung wartete noch vor dem Gerichtssaal auf den Beschuldigten: Weil der 57-Jährige die Anklageschrift nicht erhalten habe, wusste er nicht einmal, welche Strafe die Staatsanwaltschaft für ihn fordert. Wenige Minuten vor der Verhandlung erfuhr er, dass ihm sechs Monate Freiheitsstrafe drohen – unbedingt. Er fiel er aus allen Wolken: «Was? Das glaube ich ja nicht. Das würde mich den Job kosten», so der Beschuldigte zur AZ. Dabei gebe er ja alles zu, was ihm vorgeworfen wird.

Vor dem Lenzburger Bezirksgericht stand der Beschuldigte, der sich selbst vertrat, wegen des mehrfachen Missbrauchs und der Herstellung und Verwendung falscher Kontrollschilder. Zudem wurde ihm das mehrfache Führen eines Motorfahrzeugs ohne Berechtigung vorgeworfen. Laut Anklageschrift der Staatsanwaltschaft fuhr der beschuldigte Schweizer 2021 und 2022 ohne Führerschein mit einem nicht immatrikulierten Motorrad zur Arbeit.

Im Februar 2023 ging der Beschuldigte einen Schritt weiter: Für einen ebenfalls nicht zugelassenen Honda-Roller fälschte er die Kontrollschilder. Wie der Mann zugab, legte er das vordere und hintere Kontrollschild in den Fotokopierer, laminierte sie und befestigte sie an dem Roller. «Quasi täglich» fuhr er dann laut Anklage mit den so gefälschten Schildern und ohne Ausweis wiederum von seinem Wohnort zur Arbeit.

«Ich habe einen Scheiss gebaut. Dass ich bestraft werde, ist für mich klar», sagte der Beschuldigte zu Gerichtspräsident Daniel Aeschbach. «Ich kann das aber auch begründen.» Er sei vom Job her auf den Roller angewiesen, so der Beschuldigte. Als Maler müsse er ständig von einer Baustelle zur nächsten und ohne den Roller sei das für ihn nicht möglich gewesen. Er fürchtete, ohne diese Mobilität den Job zu verlieren. Das wäre für ihn verheerend. Schliesslich würde er in seinem Alter kaum noch einen Job finden. Auch ein Schuldenberg von rund 100’000 Franken und mehrere Vorstrafen machen die Situation nicht einfacher.

«Ich kämpfe um meine Zukunft»

Nachdem der Beschuldigte im April 2023 mit seinen gefälschten Kontrollschildern erwischt worden war, geschah genau das, was er eigentlich verhindern wollte: Er verlor seinen Job. «Ich war acht Monate arbeitslos, es ging mir schlecht. Ich habe über 600 Bewerbungen geschrieben und vielleicht zehn Antworten bekommen», so der Angeklagte. Erst vor wenigen Wochen habe er endlich wieder eine Stelle als Maler gefunden.

Sollte das Gericht dem Antrag der Staatsanwaltschaft folgen und ihn zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilen, wäre er seinen neuen Job wieder los. An den Richter gewandt, sagte der Beschuldigte in seinem Schlusswort: «Wissen Sie, ich kämpfe um meine Zukunft. Ich habe schon viele Fehler gemacht und hatte oft Existenzängste.» Der neue Job sei für ihn daher so etwas wie seine letzte Chance.

Bei der Urteilsverkündung erlebte der Beschuldige eine zweite Überraschung: Das Gericht sprach ihn zwar in allen Anklagepunkten schuldig, reduzierte die geforderte Strafe aber in zwei Punkten. Im Sinne einer Gesamtstrafe wird er zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von vier Monaten verurteilt. Diese darf er jedoch, sofern vom Strafvollzug bewilligt, in Halbgefangenschaft absitzen. So kann er tagsüber seinem Job nachgehen, muss am Abend und am Wochenende wieder ins Gefängnis. Zudem wurde die geforderte unbedingte Geldstrafe von 180 Tagessätzen um 30 Franken auf nun 100 Franken reduziert (18’000 Franken).

Dem Beschuldigten war die Erleichterung deutlich anzusehen. «Packen Sie diese Chance», sagte Gerichtspräsident Aeschbach zum Schluss der Verhandlung.