Tesla-Lenker verursachte tödlichen Unfall – Gerichtspräsident: «Das Wendemanöver war eine ziemlich hirnverbrannte Idee»
Ein Deutscher fuhr im März letzten Jahres mit seinem Tesla bei der Kreuzung Neuhof von Lenzburg her kommend auf die Einspurstrecke auf die Hendschikerstrasse. «An dem Tag hatte mich eine Bekannte gebeten, sie zu einer Tanzveranstaltung zu fahren. Wir fuhren rechtzeitig ab, doch ich habe mich verfahren», erklärte der 55-Jährige vor Gericht.
Das Navi habe ihn mehrmals falsch gelenkt. Weil er auf die Autobahn nach Aarau wollte, hatte er sich kurzerhand entschlossen, über die Sicherheitslinie zu fahren, um zu wenden und auf die entgegenkommende Spur zu kommen – ein fataler Fehler. Denn der Beschuldigte übersah einen VW Polo, der aus dem Tunnel kam und Richtung Hendschiken fuhr. Die beiden Fahrzeuge kollidierten.
Gerichtspräsident Aeschbach: «Das war eine hirnverbrannte Idee»
Im VW sassen eine Mutter, 41, ihre Tochter, 19, und ihr Sohn,6. Die Tochter, die den Wagen lenkte, konnte nicht mehr reagieren. Doch am schwersten verletzt wurde bei dem Unfall die Mutter, sie verstarb kurz darauf im Spital.
Der Teslafahrer muss sich am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Lenzburg verantworten. Allerdings handelt es sich um eine abgekürztes Verfahren. Dies ist möglich, wenn der Beschuldigte geständig ist und man sich über eine Strafe einig wird – das Gericht muss dann nur noch prüfen, ob ein Geständnis vorliegt und ob es plausibel ist, ob das Verfahren korrekt durchgeführt wurde und die Sanktionen angemessen sind.
Der Lenzburger Gerichtspräsident Daniel Aeschbach befragte den Beschuldigten zum Tathergang und wollte wissen, wie er sein Verhalten beurteile. «Ich bereue es jeden Tag, es war unverantwortlich und ich hätte das nie tun dürfen», erklärte der Teslafahrer. «Es war eine ziemlich hirnverbrannte Idee, ein Wendemanöver über eine Sicherheitslinie auszuführen», fasste Aeschbach zusammen. «Ja, das stimmt», betätigte der Beschuldigte. Er fahre seither mit viel mehr Rücksicht und beachte den Verkehr mehr, erklärte er. «Mein Leben hat sich radikal geändert. Ich bin mir aber auch bewusst, dass die Opferfamilie in noch viel grösserem Ausmass betroffen ist – es tut mir aufrichtig leid.»
Eine bedingte Freiheitsstrafe und eine Busse
Geeinigt haben sich die Staatsanwaltschaft und der Unfallfahrer auf eine bedingte Freiheitsstrafe von 15 Monaten sowie eine Busse von 4000 Franken. «Meine Mandantschaft hat sich schwer getan mit der Sanktion, ein Menschenleben ist weg, eine Familie ist betroffen auf Lebzeiten», sagte der Anwalt der Opferfamilie. Man sei aber damit einverstanden, weil dies der gängigen Rechtsprechung entspreche.
Adrian Schuler, Mediensprecher der Staatsanwaltschaft, erklärt: «Eine bedingte Freiheitsstrafe wird dann ausgefällt respektive von der Staatsanwaltschaft gefordert, wenn eine unbedingte Strafe nicht notwendig erscheint, um die verurteilte Person von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.» Auch werde bei der Strafzumessung das Verschulden, also ob eine Tat fahrlässig oder mit Vorsatz begangen wurde, sowie das Vorleben der beschuldigten Person berücksichtigt.
Und an der Verhandlung machte Gerichtspräsident Aeschbach klar: «Gesetzlich ist es nicht möglich, eine unbedingte Freiheitsstrafe auszusprechen, der Beschuldigte ist nicht vorbestraft.» Egal welche Strafe ausgefällt würde, mache dies das Opfer nicht wieder lebendig.
Verschiedene Angehörige haben Zivilforderungen gestellt, insgesamt 195’000 Franken. Diese wurden im Grundsatz anerkannt. Hinzu kommen Parteientschädigungen von zusammen 5000 Franken und Verfahrenskosten und Anklagegebühren von rund 13’000 Franken.