Bierbrauer Claude Degen im zt Talk: «Ich bin eine kreative Laborratte»
«Bis zum Jahr 2000 trank ich überhaupt kein Bier», erzählt Claude Degen. Das änderte sich nach einem medizinischen Vorfall. «Ich hatte im Geschäft meines Vaters ein Blackout und kippte um.» Möglicherweise eine Unterzuckerung. «Von diesem Tag an hatte ich kein Interesse mehr an Wein.» Ein Ausflug in die Brauerei Unser Bier in Basel brachte ihn auf die Idee, einen Braukurs zu besuchen und zuhause Bier zu produzieren. «Es zog mir gleich den Ärmel rein.» Das war 2003. Drei Jahre später begann er, seine Biere zu verkaufen. «Die Brauerei wuchs organisch, ich arbeitete daneben weiter. Einen Plan, wohin die Reise gehen könnte, hatte ich nicht wirklich.» 2011 wurde sein «Kobra» Schweizer Bier des Jahres. Degenbier wurde dadurch schweizweit bekannt, es folgten weitere Preise. Vor zwei Jahren kaufte er sich die Anlage, auf der er heute produziert – mit zwei grossen Gärtanks, die je 2500 Liter fassen.
Degen braut neben dem «Kobra» sogenannte Unikate – Biere, die es immer nur in einer limitierten Menge gibt. Woher holt er sich die Ideen dazu? «Schwierig zu sagen, manchmal sind es Einfälle, die nachts um 3 Uhr kommen.» Vor der Pandemie liess er sich an internationalen Bier-Festivals inspirieren. «Da gibt es bis zu 800 Biere in drei Tagen zum Probieren. Völlig überfordernd, aber sehr inspirierend.» Die Brauer wollen sich an solchen Festivals gegenseitig übertrumpfen.
«Dank dem Fundus an Protokollen, über den ich mittlerweile verfüge, kann im Voraus sehr viel berechnen.» Degen greift auf Elemente früherer Bierrezepturen zurück und fügt ein neues hinzu. «Ich spiele sehr gerne mit neuen Rohstoffen. Es gibt auch jedes Jahr neue Hopfensorten. Ich wäre komplett unglücklich, wenn ich immer die gleichen Biere brauen müsste.» Ist er eher Bierkünstler als Bierproduzent? Degen überlegt. «Vielleicht eine kreative Laborratte.»
Und was macht ein richtig gutes Bier aus? «Zunächst sicher einmal eine perfekte Hygiene», sagt Degen. «Das ist das A und O. Und gibt auch geschmacklich die klareren Resultate. Dann beste und frische Zutaten – und ein Rezept, das Sinn macht. Sinn heisst für mich: Ich versuche ein Bier zu kreieren, das eine Harmonie hat.» – «Die einzelnen Komponenten – Bitternoten, Malznoten, Hopfenaromen – müssen in einem sinnvollen Verhältnis zueinander stehen und sich gegenseitig befruchten.» Ein perfektes Bier zu brauen, sei schwierig. «Ich bin nie zufrieden.» Aber Perfektion sei eine Illusion. «Zu einer Schönheit gehören auch Schönheitsfehler.»
Von den ganz grossen Marken hält Degen wenig. Geschmacklich könne er damit nichts anfangen. «Dann trinke ich lieber ein Mineralwasser.»