Neue EU-Verhandlungen: Brüssel will, dass der Bundesrat Farbe bekennt
Antrittsbesuch des neuen Staatssekretär Alexandre Fasel in Brüssel. Nachdem der 62-jährige Spitzendiplomat im Sommer den Posten von EU-Unterhändlerin Livia Leu übernommen hat, liegt es an ihm, die seit nunmehr eineinhalb Jahren laufenden Sondierungsgespräche abzuschliessen. In der Schweiz steigt der Druck, den Sack jetzt zuzumachen. Der Aargauer Regierungsrat und oberste Kantonsvertreter Markus Dieth sagte im Interview mit dieser Zeitung kürzlich, er erwarte vom Bundesrat, sich bald auf ein neues Verhandlungsmandat festzulegen.
Zum Zeitplan sagt Fasel: «Die Perspektive ist, dass, wenn alles gut geht bei den Gesprächen hier und den Diskussionen in Bern, der Bundesrat gegen Ende Jahr ein Verhandlungsmandat vorbereiten könnte», so der Freiburger nach seinem rund vierstündigen Treffen mit seinen EU-Ansprechpartnern.
Nur: Dass «alles gut geht» ist keineswegs sicher. Aktuell gibt es zwischen Bern und Brüssel nämlich noch einige Differenzen. Sie zu bereinigen, ist Ziel der gemeinsamen Erklärung, worin die Landezonen für die künftigen Verhandlungen festgeschrieben werden. Darin steht ziemlich detailliert, über was man zu verhandeln und – für die Schweiz noch viel wichtiger – eben nicht zu verhandeln bereit ist. An diesem streng geheimen Dokument arbeiten die Schweizer und die EU-Seite schon seit Monaten, bislang ohne sich handelseinig zu werden.
EU will von Bundesrat verbindliches Zeichen, dass er es ernst meint
Für die EU ist die gemeinsame Erklärung eine Vorbedingung, um überhaupt mit der Schweiz in richtige Verhandlungen einzutreten. Man erachtete sie als Garantie, dass sich nicht wiederholt, was beim Rahmenabkommen geschehen ist: Dass man jahrelang verhandelt, am Schluss dann aber doch alles vergebens war. Jetzt möchte Brüssel vom Bundesrat, dass er Farbe bekennt und das gemeinsame Ziel noch vor Verhandlungsstart besiegelt. Es wäre das bundesrätliche Zeichen der Verbindlichkeit, auf das die EU von der Schweiz pocht, nachdem sie wegen der Geschichte mit dem Rahmenabkommen des Vertrauen verloren hat.
Der Bundesrat allerdings zeigt dem Vernehmen nach wenig Interesse daran, sich voreilig festnageln zu lassen. Der Grund liegt auf der Hand: Die Bundesräte wollen sich nicht verbindlich auf Verhandlungsziele verpflichten, welche von ihren den Parteien oder Sozialpartnern dann womöglich wieder zerredet werden. Zur Frage, ob der Bundesrat das gemeinsame Dokument unterschreiben werde oder nicht, sagt Staatssekretär Fasel in Brüssel: «Hier sprechen wir von einer technischen Frage darüber, wie man das Resultat der Sondierungen festhält». Wie das geschehen werde, müsse man schauen, wenn es soweit sei.
Bundesrat will Brüssel einen Brief schreiben – das weckt Erinnerungen
Wie in Bern zu hören ist, plant der Bundesrat inzwischen, das Ergebnis der Sondierungen nicht per Unterschrift, sondern bloss in einem Brief zu würdigen. Aber reicht das Brüssel? Oder weckt das bloss schlechte Erinnerungen? Zum Beispiel an den Brief, den der damalige Bundespräsident Ueli Maurer im Juni 2019 an die Spitze der EU-Kommission schickte. Darin schrieb der Bundesrat, er erachte das Verhandlungsergebnis zum Rahmenabkommen als «in weiten Teilen im Interesse der Schweiz». Knapp zwei Jahre später und nach etlichen Runden von Nachverhandlungen hat er es bekanntlich dann doch beerdigt.