Pensum aufstocken oder eine halbe Lektion mehr unterrichten: Lässt sich so der Lehrpersonen-Mangel beheben?
Seit dem Schulstart im Aargau sind knapp zwei Monate vergangen, doch der Lehrpersonenmangel beschäftigt die kantonale Politik weiterhin stark. In den letzten Wochen hat der Regierungsrat gleich mehrere Vorstösse aus dem Grossen Rat beantwortet, die Massnahmen forderten, um das Problem zu lösen.
Stefan Wolter, Mitautor des nationalen Bildungsberichts und Professor für Bildungsökonomie an der Universität Bern, sagte schon vor drei Jahren gegenüber CH Media: «Wenn sich der Mangel verschärft, müssen die Kantone über ein Pflichtpensum diskutieren.» Ein Mindestpensum von 30 bis 50 Prozent sei vorstellbar, hielt der Experte fest.
Vor dem Hintergrund, dass im Aargau überdurchschnittlich viele Lehrpersonen der Volksschule im Teilzeitpensum tätig sind, forderte die FDP die Einführung von Mindestpensen. Die Regierung ist bereit, dieses Anliegen entgegenzunehmen, wie sie Mitte September festhielt. Sie schreibt, dies könne helfen, die angespannte Situation auf dem Stellenmarkt der Lehrpersonen zu lindern.
Regierung prüft Massnahmen für höhere Pensen bei Lehrpersonen
In einer am Freitag veröffentlichten Antwort auf einen Vorstoss von drei SVP-Ratsmitgliedern verweist der Regierungsrat auf das Projekt «Magis», das die Sicherstellung des Personalbedarfs für die Volksschule zum Ziel hat. Dabei würden Massnahmen geprüft, «die zu einer weiteren nachhaltigen Erhöhung des Beschäftigungsgrads von Lehrpersonen beitragen», schreibt die Regierung.
Im Schuljahr 2020/21 lag das Durchschnittspensum der Lehrpersonen in Kindergarten und Primarschule bei 64 Prozent, an der Oberstufe bei 67 Prozent. Der Anteil der Lehrpersonen, die weniger als 50 Prozent arbeiten, machte in Kindergarten und Primarschule 34 Prozent aus, auf der Oberstufe waren es noch 28 Prozent.
SVP-Grossräte wollen eine halbe Lektion mehr für alle Lehrpersonen
Nein sagt die Regierung hingegen zu zwei Motionen von Tonja Burri und Miro Barp (beide SVP), die eine Erhöhung der Lehrerpensen um 0,5 Lektionen an der Volksschule und an der Mittelschule verlangten. Der Regierungsrat räumt ein, dass damit Lohnkosten gespart werden könnten und rund 120 Vollzeitstellen weniger nötig wären.
Eine Erhöhung des Normalpensums führe aber zu einer Verschlechterung der Anstellungsbedingungen und schwäche die Konkurrenzfähigkeit des Aargau zu den umliegenden Kantonen. Über 9’100 Lehrpersonen der Volksschule wären davon betroffen, warnt der Regierungsrat und hält fest: «Obwohl die Jahresarbeitszeit gleich bleibt, würde die Umsetzung dieser Massnahme von Seiten der Lehrpersonen wahrscheinlich als Mehraufwand und damit als indirekte Lohnkürzung interpretiert sowie als fehlende Wertschätzung für die geleistete Arbeit.»
Auch die Wirkung der umgesetzten Revision des Lohnsystems «Arcus», mit der die Attraktivität des Aargaus als Arbeitgeber gesteigert werden konnte, würde laut Regierungsrat deutlich geschwächt. Sein Fazit: «Die Umsetzung einer solchen Massnahme läuft den Zielen zuwider, dass der Kanton gute, zeitgemässe und konkurrenzfähige Arbeitsbedingungen für das schulische Personal schafft und hält.»