Der Kanton Aargau zahlt weiterhin die tiefsten Stipendien: Die GLP ist empört – und fordert höhere Beiträge
4244 Franken. So hoch war die finanzielle Unterstützung des Kantons Aargau an bedürftige Studentinnen oder Studenten durchschnittlich im vergangenen Jahr. Nie war der Betrag im Kanton tiefer. Und kein anderer Kanton zahlte tiefere Stipendien. Damit bleibt der Aargau weiterhin der knausrigste Kanton in der Schweiz. Seit 2019 ist der Aargau das nationale Schlusslicht bei der Stipendienvergabe.
Zum Vergleich: Der schweizweite Durchschnitt lag 2023 bei 7974 Franken pro Bezügerin oder Bezüger. Zürich als grosszügigster Kanton zahlte im Schnitt gar 10’051 Franken pro Stipendium aus – weit mehr als doppelt so viel als der Aargau. Dies geht aus aktuellen Zahlen hervor, die das Bundesamt für Statistik am Montag veröffentlicht hat.
Die GLP fordert höhere Stipendien
Die GLP Aargau gibt sich empört über die neuen Zahlen. Bildung dürfe nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen, schreiben die Grünliberalen in einer Medienmitteilung vom Montagmorgen. Junge Menschen sollten die Möglichkeit haben, eine Fachmittelschule, eine höhere Berufsbildung oder ein Studium zu absolvieren – unabhängig von ihrer finanziellen Lage. Dafür seien angemessene Stipendien entscheidend, so die GLP. Für die Partei sind sie seit 2018 nicht mehr angemessen.
Damals schwenkte der Aargauer Grosse Rat auf einen Sparkurs ein. Genauer: die bürgerliche Mehrheit aus SVP, FDP und der damaligen CVP, die sich gegen die Ratslinke durchsetzte. Die Änderung war nicht zuletzt eine Sparmassnahme in Zeiten knapper Kantonsfinanzen. Die SP ergriff das Referendum, unterlag aber an der Urne.
Seither gilt bei der Stipendienvergabe auf Tertiärstufe das sogenannte Splittingmodell. Heisst: Studentinnen an Universitäten oder Studenten an Fachhochschulen, die auf Unterstützung angewiesen sind, erhalten den Kantonsbetrag nur zu zwei Dritteln als Stipendium. Das dritte Drittel müssen sie als zinsloses Darlehen beziehen. Innert zehn Jahren muss das geliehene Geld an den Kanton zurückbezahlt werden. In anderen Worten: Man verschuldet sich.
Das schlug sich auch in den Zahlen nieder. Zahlte der Kanton Aargau 2017 im Durchschnitt noch 8945 Franken pro Bezüger aus, waren es 2019 nur noch 5892 Franken. Auch der Anteil der Stipendienempfänger ging zurück. Bezogen vor 2018 noch über 6 Prozent aller Aargauer Studierenden Stipendien, waren es 2023 noch deren 4,4 Prozent. Zwar sinkt ihr Anteil schweizweit, im Aargau ist der Rückgang aber stärker.
«Das Splittingmodell gehört abgeschafft»
Der GLP ist das Splittingmodell ein Dorn im Auge. «Niemand sollte mit Schulden ins Berufsleben starten müssen, nur weil die Familie die Ausbildung nicht finanzieren kann», schreibt die Partei. Doch so geschlossen, wie sich die Grünliberalen heute geben, waren sie 2017 noch nicht. Immerhin zwei Parlamentarier der siebenköpfigen Fraktion stimmten damals im Grossen Rat für das Splittingmodell.
Nun scheint die Partei geeinter. «Das Splittingmodell gehört abgeschafft – besonders, da sich die finanzielle Situation des Kantons seit 2018 deutlich verbessert hat», lässt sich Manuel Egli, Mitglied der GLP-Geschäftsleitung, in der Mitteilung zitieren. Das Stipendienwesen müsse grosszügiger werden, der Kanton Aargau dürfe nicht länger das Schlusslicht bleiben.
Die Partei hofft nun auf einen Bericht der Regierung, der im Frühling 2025 erwartet wird. Dieser geht auf ein Postulat von Simona Brizzi zurück. Die damalige SP-Grossrätin und heutige Nationalrätin forderte eine Untersuchung der Auswirkungen des Splittingmodells.