Schweizer geben weltweit am meisten Geld für Bio-Lebensmittel aus
Kaum jemand kennt die Biowelt so gut wie sie: Seit 25 Jahren sammelt Helga Willer globale Zahlen zum Biolandbau – und führt Buch über Anbauflächen, Pro-Kopf-Konsum und Marktanteile. Als sie gemeinsam mit anderen Forschenden im Jahr 2000 den ersten Bericht zur «Welt des ökologischen Landbaus» veröffentlichte, spielte die Bioproduktion in vielen Ländern noch kaum eine Rolle. Seither hat sich die biologisch bebaute Fläche vervielfacht: «Seit 2000 haben wir einen Zuwachs der Biofläche um 500 Prozent», sagt Willer. Sie ist am Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL) tätig und gibt das Standardwerk jährlich heraus.
Am Dienstag nun erschien der mittlerweile 350 Seiten umfassende Bericht zum 25. Mal. Im Fokus des diesjährigen Reports steht das Landwirtschaftsjahr 2022. Die wichtigsten Erkenntnisse in der Übersicht.
Die Anbaufläche steigt in der EU erstmals auf über 10 Prozent
Weltweit produzieren mehr als vier Millionen Landwirtschaftsbetriebe nach den international anerkannten Vorschriften des Biolandbaus. Global betrachtet wurden im Jahr 2022 zwei Prozent des Landwirtschaftslands biologisch bebaut – über die grössten Bioflächen verfügen Australien, Indien und Argentinien. In Relation zu den pro Land verfügbaren Landwirtschaftsflächen belegt Liechtenstein mit einem Bioflächenanteil von über 43 Prozent den Spitzenplatz, gefolgt von Österreich und Estland.
In den EU-Ländern überstieg die biologische Anbaufläche 2022 erstmals die 10-Prozent-Marke. Über ganz Europa hinweg betrachtet, liegt der Anteil deutlich tiefer, bei 3,7 Prozent. Die Schweiz zählt derweil mit einer Biofläche von knapp 18 Prozent zu den zehn Ländern mit den höchsten Anteilen an Bioflächen.
Die Schweiz ist beim Marktanteil vorne mit dabei
Betrachtet man die Lebensmittelverkäufe in den einzelnen Ländern, so liegt Dänemark mit einem Biomarktanteil von 12 Prozent auf Platz 1. Knapp dahinter folgen Österreich und die Schweiz. Hierzulande werden etwas mehr als 11 Prozent aller verkauften Lebensmittel biologisch produziert.
Die Schweizerinnen und Schweizer geben zudem absolut betrachtet weltweit am meisten Geld für Bio-Lebensmittel aus: 2022 wendete eine Person in der Schweiz dafür 439 Franken auf.
Die Vorreiterrolle Dänemarks hänge auch damit zusammen, «dass man dort sehr früh die Zusammenarbeit mit den Supermärkten gesucht hat», erklärt Willer. «Dadurch konnte der Bioanteil rasch gesteigert werden.» Ihr Forschungspartner Toralf Richter ergänzt: «Den Detailhändlern kommt bei der Förderung des Biolandbaus eine wichtige Rolle zu. Sie haben die Möglichkeit, mit Promotionen, Initiativen und der Sortimentsentwicklung den Bioabsatz zu pushen.» Es zeige sich, dass im Biobereich das Angebot die Nachfrage stärker beeinflusse als umgekehrt, so Richter.
Neue EU-Bioverordnung hat Auswirkungen auf Kleinbauern
Seit 2022 gilt in der Europäischen Union eine neue Bioverordnung. Darin wird geregelt, wie Bio-Lebensmittel in der EU produziert, kontrolliert und gekennzeichnet werden müssen. Auch die Vorschriften für Importe wurden präzisiert. Bis zum Jahr 2025 muss die neue Verordnung in allen Ländern, welche in die EU importieren wollen, umgesetzt werden.
Die Anpassungen stellen viele kleinere Biobetriebe in Drittländern vor Herausforderungen: «Vor allem Kleinbauern im Globalen Süden sind betroffen. Sie müssen mit deutlich mehr Zertifizierungskosten und einem deutlich höheren organisatorischen Aufwand rechnen», sagt Toralf Richter, der am FiBL im Bereich internationale Biomarktentwicklung arbeitet. Es ist deshalb nicht auszuschliessen, dass ein Teil der betroffenen Betriebe künftig keine Bioprodukte mehr für die EU herstellen und stattdessen auf andere Labels setzen wird.
Bananen werden am häufigsten importiert
Der grösste Teil der EU-Importe stammt aus Ecuador, gefolgt von der Dominikanischen Republik, der Ukraine und Peru. «Mengenmässig machen dabei die Bananen und der Kakao den grössten Teil aus», sagt Helga Willer. Besonders beliebt sind in der EU auch Biolebensmittel wie Ölsaaten und Zucker. Viele Importe gelangen via die Niederlande und Deutschland in die anderen europäischen Länder.
Die Schweiz exportiert derweil nur eine vernachlässigbare Menge an Bio-Lebensmitteln. Es handelt sich dabei erwartungsgemäss vor allem um Käse und Schokolade.