Wie ein Fotoshooting in luftiger Höhe beinahe tödlich endete
Unfassbar viel Glück hatten zwei Piloten und ihre drei Passagiere am 21. Januar 2024. Damals stiessen über Ballwil LU, knapp südlich der Kantonsgrenze zum Aargau, zwei Kleinflugzeuge in der Luft zusammen. Die Piper «Arrow» mit der Immatrikulationsnummer HB-PQG und die Gyroflug «Speed Canard» (HB-UCT) waren beide unterwegs vom Flugplatz Raron im Wallis zurück zum Heimatflugplatz Birrfeld. Nach dem Crash gelang den Piloten die Notlandung.
Die Schweizerische Sicherheitsuntersuchungsstelle (Sust) hat nun ihren summarischen Schlussbericht zum Unfall veröffentlicht. Daraus geht hervor, dass die 50 und 60 Jahre alten Piloten, die über eine Privatpilotenlizenz verfügen, befreundet waren. Vor dem Start am Unfalltag vereinbarten sie, über Andermatt zueinander aufzuschliessen und dann im Formationsflug weiterzureisen. «Ebenfalls wurde vereinbart, dass nach Absprache zwischen den Piloten und ausschliesslich durch die Passagiere Fotos des jeweils anderen Flugzeuges erstellt werden sollten», so der Bericht.
Das war schon früher vorgekommen und die Piloten hätten dabei ein gegenseitiges Vertrauen entwickelt. «Sie gingen stets davon aus, dass das vorausfliegende Flugzeug die Richtung, Höhe und Geschwindigkeit beibehält, wobei es die Aufgabe des Piloten des nachfolgenden Flugzeuges war, einen ausreichenden Abstand sicherzustellen.»
Bis zum Einflug in die Kontrollzone des Flughafens Emmen klappte offenbar auch alles so wie vorgesehen. Dann allerdings kam das nächste Fotoshooting. Dazu behielt die Gyroflug die Richtung bei, die Piper näherte sich von rechts hinten und leicht unterhalb, bis die Maschinen nur noch 30 Meter voneinander entfernt waren. Nun wurden Fotos geschossen.
Da aber die Gyroflug laut Sust-Bericht noch «im Licht des Sonnenuntergangs» fotografiert werden sollte, nahm der Piper-Pilot erneut ein Seitenwechsel-Manöver vor. Dabei verlor er den Sichtkontakt zur Gyroflug, deren Pilot ihn sowieso nicht sehen konnte – und plötzlich prallten die beiden Flugzeuge «für beide Besatzungen völlig unerwartet» aufeinander. Vereinfacht gesagt, war die Piper der Gyroflug von hinten-unten in den Rumpf geflogen.
Beide Flugzeuge wurden dabei stark beschädigt, bei der Piper fiel sogar der Motor aus. Sie blieben aber – und das ist das grosse Glück – steuerbar. Die Piloten entschieden sich für eine Notlandung auf dem Militärflugplatz Emmen. Zwar reichte es dem Flugzeug mit dem ausgefallenen Motor nicht mehr ganz, der Pilot schaffte aber eine Landung auf einem schneebedeckten Feld. Keiner der fünf Insassen wurde verletzt.
Ein Verbandsflug, wie das Fliegen in Formation bezeichnet wird, ist nicht verboten, es gibt auch keine speziellen Vorschriften dafür. Einzige regulatorische Vorgabe ist ein vorgängiges Briefing», sagte ein Sprecher des Bundesamts für Zivilluftfahrt nach dem Unfall gegenüber der «Luzerner Zeitung». Den Piloten müsse klar sein, wer vorne und wer hinten fliege, wie hoch und welche Route man fliege.
Die Sust schreibt: «Eine definierte, unmissverständliche Kommunikation ist im Verbandsflug unabdingbar. Unvorhergesehene Situationen müssen sofort am Funk mitgeteilt und geklärt werden, um das Kollisionsrisiko zu verringern.» Insbesondere ein unbeabsichtigter Verlust des Sichtkontakts müsse unverzüglich per Funk gemeldet werden. Vorgängig müssen genaue Massnahmen vordefiniert werden, welche die Piloten «jederzeit mental bereithalten».
Im vorliegenden Fall seien beim Briefing in Raron einige Punkte «nur unzureichend besprochen» worden. Zum Beispiel, wie ein Seitenwechsel ablaufen soll und welche Massnahmen man ganz konkret beim Verlust des Sichtkontakts trifft. Der Piper-Pilot hatte für den Seitenwechsel ausserdem ein ungeeignetes Flugmanöver gewählt, weil dabei ein kurzzeitiger Verlust des Sichtkontakts in Kauf genommen werden musste.
Die Sust weist ausserdem darauf hin, dass Verbandsflug anspruchsvoll sei und entsprechender Kenntnisse und Vorbereitung bedarf. «Es liegt auf der Hand, dass solches Wissen einem Piloten mittels einer spezifischen Zusatzausbildung vermittelt werden könnte und sollte.»
Deshalb hatte die Sust bereits 2023 nach einer ähnlichen Kollision eine Sicherheitsempfehlung ausgegeben: «Die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) sollte durch geeignete Massnahmen sicherstellen, dass zur Ausübung von Formationsflügen eine systematische theoretische und praktische Ausbildung sowie eine entsprechende Berechtigung notwendig sind.» Die EASA stellte sich allerdings auf den Standpunkt, die aktuellen europäischen Regularien würden genügen, für Verschärfungen wären die Behörden der einzelnen Länder zuständig. Das teilte sie dem BAZL im August 2023 mit.