Böses Zug, gutes Basel? Wie der Kanton Zug im Abstimmungskampf um die Mindeststeuer zum Feindbild wurde
Das Rampenlicht richtet sich vorab auf einen Kanton: Die SP spricht im Abstimmungskampf zur OECD-Mindeststeuer von einer «Lex Zug» und von «Doping für Zug». Gar als «Bananenrepublik» beschimpfte SP-Nationalrätin Jacqueline Badran den Kanton Zug diese Woche auf Twitter – wenn auch in anderem Zusammenhang.
Hintergrund der SP-Kritik ist die vorgesehene Verteilung der zusätzlichen Einnahmen, welche die OECD-Mindeststeuer bringt. Sagt das Stimmvolk am 18. Juni Ja, fliesst ein Viertel davon an den Bund, drei Vierteln gehen an die Kantone – wobei diese sehr unterschiedlich profitieren. Zug und Basel-Stadt dürften mit Abstand am meisten zusätzliche Einnahmen kassieren.
Zwei Kantone also – aber aufs Dach bekommt von den Gegnern vor allem Zug. Der rein bürgerlich regierte Kanton mit SVP-Finanzdirektor Heinz Tännler eignet sich als Feindbild der SP besser als Basel-Stadt mit SP-Finanzdirektorin Tanja Soland. Basel gibt pro Kopf deutlich mehr für Kultur, für Bildung und Prämienverbilligungen aus. Wenn die Regierung die Steuern senken will, entlastet sie die Familien. So entsteht der Eindruck, dass Basel-Stadt seinen Reichtum für soziale Zwecke einsetzt. Kommt hinzu, dass Zug wegen der Rohstoff- und Briefkastenfirmen weniger Sympathie geniesst.
Böses Zug, gutes Basel also? Der Luzerner Kantonsrat und SP-Vizepräsident David Roth widerspricht. Es sei in beiden Fällen problematisch, dass die bereits reichen Kantonen Zug und Basel-Stadt einen derart grossen Anteil der zusätzlichen Einnahmen erhielten. «Es kann nicht sein, dass Zug und Basel-Stadt ihre Randsteine vergolden», sagt Roth. «Das Geld muss allen zugute kommen.»
Roth hält die Tiefsteuerpolitik grundsätzlich für schädlich: «Kantone zügeln damit Steuersubstrat aus anderen Teilen der Schweiz ab, die Unternehmen werden entlastet – und die Bevölkerung muss zahlen.» Die SP kritisiert den Steuerwettbewerb zwischen den Kantonen seit langem.
Ein Steuerparadies – nicht nur für Firmen
Der Zuger FDP-Ständerat und frühere Regierungsrat Matthias Michel hingegen sagt, der Kanton Zug nutze den Steuerföderalismus erfolgreich. «Das widerspricht dem Ziel der SP nach Steuerharmonisierung, was ihre Kritik erklärt. Aber das föderale Steuersystem und der Nationale Finanzausgleich sind demokratiepolitisch abgestützt.» So sei beispielsweise 2010 die Steuergerechtigkeits-Initiative der SP schweizweit klar abgelehnt worden, welche den Wettbewerb einschränken wollte.
Auch innerhalb des Kantons sei der Ausgleich zwischen Privaten und Unternehmen sowie zwischen wirtschaftlich schwächeren und stärkeren Einwohnern in mehreren Volksabstimmungen akzeptiert und wiederholt abgesegnet worden, sagt Michel. Und: Im Kanton Zug bezahle das reichste Prozent rund die Hälfte der Steuern; von den reichen Steuerzahlenden profitierten auch jene mit tieferen Einkommen.
Dass der Kanton Zug dank der guten Finanzlage auch für die Einwohner tiefe Steuern bietet, ist für David Roth kein Argument für die Tiefsteuerpolitik. «Davon profitieren nur jene, die sich die hohen Mieten überhaupt noch leisten können.»
Andere zahlen drei Mal mehr Steuern
Für den Kanton Zug zahlt sich die Strategie aber aus. Die Finanzkraft der Unternehmen zeigt sich bei den direkten Bundessteuern: 1,7 Milliarden Franken kamen 2019 aus Zug – und damit doppelt so viel wie aus dem deutlich grösseren Kanton Bern.
Dank seiner vollen Kasse kann Zug seinen Einwohnern viel bieten – bei gleichzeitig tiefen Steuern. Die Unterschiede illustriert ein Beispiel: Eine ledige, kinderlose Person mit einem Einkommen von 80’000 Franken zahlt laut Steuerrechner der eidgenössischen Steuerverwaltung im zugerischen Baar 3637 Franken, in der Stadt Bern hingegen 11’990 Franken Steuern. In fünf Neuenburger Gemeinden wären gar über 14’000 Franken fällig. Dafür lässt es sich im Kanton Neuenburg günstiger wohnen.