Schallende Ohrfeige für den abgewählten Präsidenten: Wahlgericht lehnt Bolsonaros Klage ab
Nur einen Tag hat das brasilianische Wahlgericht TSE gebraucht, um eine Klage des amtierenden Staatschefs Jair Bolsonaro gegen das Ergebnis der Präsidentenwahl abzuweisen und ihm damit eine schallende Ohrfeige zu verabreichen. Die Richter um den Vorsitzenden Alexandre de Moraes wiesen am Mittwoch eine Anfechtungsklage seiner Liberalen Partei (PL) gegen Teile des Ergebnisses der Stichwahl vom 30. Oktober wegen angeblich zweifelhafter Wahlurnen zurück.
Die Klage sei unbegründet und es mangele an Beweisen für die Behauptung, die nach 2020 hergestellten elektronischen Wahlurnen wiesen Probleme mit den digitalen Signaturen auf, weshalb die Ergebnisse nicht eindeutig zuzuordnen seien. In der Folge sei ein Betrug leicht möglich gewesen. Die Stimmen aus diesen Wahlcomputern sollten laut der Klageschrift aus dem Ergebnis rausgerechnet werden.
Richter verhöhnt Vorwürfe als «lächerlich»
Gerichtspräsident Moraes bezeichnete die Beschwerde in seiner Entscheidung als «lächerlich», «rechtswidrig» und konstruiert. Das TSE verhängte deshalb auch eine Rekordstrafe in Höhe von 23 Millionen Reais (4,13 Millionen Euro) wegen «bösgläubiger Prozessführung» gegen die Liberale Partei.
Bolsonaro hatte die Stichwahl vor drei Wochen äusserst knapp gegen seinen linken Herausforderer Lula da Silva verloren. Beide Kandidaten trennten am Ende nur rund zwei Millionen Stimmen. Im Wahlkampf kritisierte Bolsonaro immer wieder die angeblich leicht zu manipulierenden Wahlcomputer und schürte damit schon im Voraus Zweifel am Ergebnis.
Bis heute hat der rechtsradikale Politiker das Wahlergebnis nicht anerkannt und ist seit seiner Niederlage praktisch abgetaucht. Er lässt seine Amtsgeschäfte weitgehend ruhen und hat auch seine Aktivitäten in den sozialen Netzwerken weitgehend eingestellt. Beobachter vermuten, dass der Staatschef seine Abwahl noch immer nicht verwunden habe.
Die hohe Geldstrafe begründete Richter de Moraes mit der Bösgläubigkeit der Beschwerdeführer. Demnach hätte die PL die Klage nur eingereicht, um Bolsonaros radikalsten Anhänger aufzustacheln, um so auf der Strasse das Wahlergebnis zu korrigieren, das ihm an der Urne verwehrt blieb.
Die Anfechtung verstosse «offensichtlich gegen den demokratischen Rechtsstaat…mit dem Ziel, kriminelle und antidemokratische Bewegungen zu ermutigen, die mit Drohungen und Gewalt Strassen in ganz Brasilien blockiert haben».
Damit bezieht sich das TSE auf die turbulenten Tage nach dem 30. Oktober, als Bolsonaros Anhänger im ganzen Land versuchten, mit Blockaden und Streiks sowie mit Mahnwachen vor Kasernen ein Eingreifen der Militärs zu provozieren. Lulas Wahlsieg sollte auf alle Fälle verhindert werden. Bis heute halten die extremen Bolsonaristas in einigen ländlichen Regionen ihre Proteste vor Militäreinrichtungen aufrecht. Sie haben dort richtige Camps errichtet mit Zelten und Küchen.
Geldstrafe als Abschreckung gedacht
Die Geldstrafe muss daher auch als Teil einer institutionellen Abschreckung gewertet werden, die verhindern soll, dass künftige Anfechtungen von Wahlergebnissen ohne solide Beweise Teil der politischen Strategie werden.
Lula da Silva, der sich derzeit in São Paulo von einer Hals-OP erholt, tritt am 1. Januar seine dritte Amtszeit an. Der Politiker der linken Arbeiterpartei PT regierte das größte Land Lateinamerikas bereits zwischen 2003 und 2011. Ob der klare und zügige Entscheid des TSE zur Beruhigung der aufgeheizten Stimmung in Brasilien beiträgt, ist fraglich.
Noch immer schwören radikale und gewaltbereite Anhänger Bolsonaros, sie würden Lulas Amtsantritt nicht zulassen. Die Streitkräfte haben sich bisher sehr bedeckt gehalten, sich aber auch nicht wie befürchtet auf die Seite des scheidenden Präsidenten geschlagen. Experten gehen davon aus, dass die Armeeführung auch darauf warten will, wen Lula als künftigen Verteidigungsminister berufen wird.