Er rettete ein Ehepaar vor den Flammen: Seit 40 Jahren ist Beat Zeier als Unfallfotograf unterwegs
«Das da», sagt Beat Zeier und zeigt auf ein altes Schwarz-Weiss-Foto, «das war in Waltenschwil, den Töfffahrer habe ich gekannt, der ist noch auf der Unfallstelle gestorben.» Auf dem Foto sieht man ein demoliertes Auto vor dem Polizisten und Rettungssanitäter stehen. Einige Meter entfernt liegt ein Motorrad.
Die Wucht des Aufpralls hat es in zwei Teile zerlegt. Zeier weiss zu jedem Bild etwas zu erzählen, selbst wenn dazwischen viele Jahre liegen. Verkehrsunfälle prägen sein Leben. Seit 40 Jahren.
Zu diesem aussergewöhnlichen Nebenjob sei er zufällig gekommen. Der damalige Chefredaktor des Badener Tagblatts, Hans Rechsteiner, habe zu ihm gesagt: «Du wersch au no eine für eus.» Und so kam es, dass Beat Zeier am 5. Januar 1984 zu seinem ersten Verkehrsunfall ausrückte. Ein junger Lernfahrer verunfallte mit seinem VW Käfer. Den Zeitungsartikel dazu hat der bald 65-Jährige sorgsam aufbewahrt. Wie auch die vielen tausend weiteren Bilder, die er in den vergangenen vier Jahrzehnten schoss.
Sie alle sind fein säuberlich in seinem Archiv abgelegt. Die Artikel schneidet er aus, klebt sie auf ein A4-Blatt und vermerkt darauf Unfalldatum und das Veröffentlichungsdatum, die zumeist identisch sind. Das ist Beat Zeiers Antrieb: möglichst der erste am Unfallplatz sein und exklusive Bilder schiessen.
Das Interesse für Unfälle und Verbrechen liegt in der Familie
Als 1975 die Papierfabrik in der Bremgarter Unterstadt brannte, war er 15 Jahre alt und hielt – nur im Pyjama bekleidet– die ersten Minuten des Brandes fotografisch fest. Das Interesse für Unfälle und Verbrechen scheint in der Familie zu liegen. Zeiers Mutter hörte jeweils beim Wäschebügeln den Polizeifunk der Aargauer Polizei ab.
Damals brauchte es ein einfaches Gerät, einem Radio nicht unähnlich, um den Funkverkehr der Polizei zu belauschen. «Wenn ich mittags heimkam, wusste meine Mutter schon, wo es geklöpft hatte», erzählt er. Kam hinzu, dass er als Mitarbeiter des Bremgarter Bauamtes täglich auf den Strassen unterwegs war und so von Unfällen erfuhr. Zeier erzählt: «Auf der Bremgarter Holzbrücke tätschte es regelmässig.»
Die Brücke war nicht nur als Nadelöhr berühmt-berüchtigt, sie bescherte Familie Zeier auch Brennholz. Regelmässig passierte es, dass Lastwagenfahrer die Höhe unterschätzten und mit ihren Gefährten das Dach demolierten. Zeier erzählt: «Ich bin dann mit dem Fotoapparat und dem Leiterwagen zum Unfall gelaufen, das demolierte Holz durfte ich mitnehmen.»
Als der Blitz in ein Bauernhaus einschlug
Zeier rückte zu jeder Tages- und Nachtzeit aus. Es waren längst nicht nur Unfälle, sondern auch Überschwemmungen, Schwertransporte und Brände, die er festhielt. Ganz besonders in Erinnerung blieben ihm die Überschwemmungen im Bünz- und Seetal. Einmal sei er auf der Rückfahrt von einem Einsatz an einem alten Bauernhaus vorbeigefahren, in das just ein Blitz einschlug. Er erzählt:« Ich habe Sturm geläutet und das alte Ehepaar so aus dem brennenden Haus retten können.»
Retten: ein Thema, das sich durchs Leben des begeisterten Sammlers zieht. In seiner Freizeit half er als Rettungshelfer beim Rettungsdienst seines Freundes Kurt Neeser in Wohlen aus. Das bescherte ihm nicht nur einen Nebenverdienst, sondern auch schöne Erinnerungen. Voller Stolz zeigt er das Bild von sich und Christina Surer, die regelmässig an den Promi-Rennen auf der Wohler Kart-Bahn teilnahm.
Bis Ende des Jahres will er sein Museum der Öffentlichkeit präsentieren
Seit seiner Pensionierung im Juni 2022 beschäftigt sich der Urbremgarter eingehend mit seinem Traum vom eigenen Museum. An der Isenlaufstrasse hat er dazu einen Raum gemietet. Bis Ende des Jahres will er die Ausstellung beisammen haben. Im Mittelpunkt stehen dabei seine 8500 Modellautos, von denen ein Teil identische Abbilder der fotografierten Lastwagen sind.
«Wie schnell die Zeit vergangen ist», murmelt Zeier beim Durchsehen seiner Bilder. «Da!», lacht er auf und nimmt das Bild mit dem ausgebüxten Esel und den beiden Ziegen hervor. Die Tiere entliefen aus dem Gehege des Bremgarter Gartenmöbelgeschäftes Hunn und sorgten für ein Verkehrschaos beim Kreisel. Das aussergewöhnliche Foto schaffte es in die Zeitung. Und es bestätigt damit, was Beat Zeier wichtig ist: «Es muss nicht immer eine Katastrophe sein.»
Doch manchmal bergen auch unscheinbare Unfälle kleine Dramen in sich. Wie damals, bei seinem ersten Einsatz am 5. Januar 1984. Der Lernfahrer habe Alkohol intus gehabt, erzählt er. Der Fahrer sei bei der Bergung ausgerastet und habe dem Rettungssanitäter die Brille weggeschlagen. Der Rettungssanitäter war sein Freund Kurt Neeser.