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Jetzt gehen die Maschinen in den Bunker – Datacenter als kritische Infrastruktur

Am Forum Interface der Fachhochschule Nordwestschweiz hat Historikerin Monika Dommann über Datacenters referiert. Sie knüpfte an den Kalten Krieg an und zeigte auf, warum die digitale Infrastruktur nicht nur kritisch oder fragil ist, sondern auch politisch.

Das Thema des aktuellen Zyklus des Forums Interface ist «Speichern». Die eine Frage ist: Wo und wie wird etwas aufbewahrt? Und die andere: Und wie können wir sicher sein, dass wir den Zugriff auf das Aufbewahrte behalten? Besonders augenfällig wird das bei den «Daten», die offenbar nicht mehr lokal gespeichert werden müssen, sondern sich – quasi ortlos – in sogenannten «clouds» (Wolken) aufhalten sollen. Der Haken dabei: Zu den Daten kommt man nur mit den dazu bestimmten Maschinen. Und Computer bleiben Dinge der realen Welt, die nur an einem bestimmten Ort sein können.

Eingängige Bilder bleiben hängen: Wir schmunzeln über Onkel Dagoberts Geldspeicher, wo er seinen Reichtum gelagert hat (ok, er muss ja auch hin und wieder in den Talerchen baden). Der ist zwar beeindruckend, aber man weiss, dass die Panzerknacker nicht ablassen, in den Speicher einzubrechen. Hat denn der gute Dagobert Duck noch nie von Banken gehört, denen man den Reichtum anvertraut, damit er dezentral gelagert werden kann und damit besser geschützt ist vor dem räuberischen Zugriff irgendwelcher Ganoven?

Vor Jahren badete Dagobert Duck vor einer Bank im Geld.

Onkel Dagoberts Geldspeicher mutet uns genau so aus der Zeit gefallen an wie die Bunkeranlagen, welche die Schweiz zu Zeiten des Zweiten Weltkriegs und des Kalten Kriegs in die Landschaft gebohrt hat. Die Armee hat viele Anlagen aufgegeben, viele an Gemeinden, welche daraus nostalgische Stätten und Museen machen, wo man noch ein bisschen «Bunker-Groove» spüren darf.

Gerechnet und gespeichert wird auf der Erde

Die Bunker-Nostalgie hat keine 30 Jahre gedauert. Nach 1989 dachte man, der Kalte Krieg sei vorbei. Nicht nur der Krieg in der Ukraine hat dies widerlegt. Es hat schon vorher begonnen. Unter dem Stichwort der «kritischen Infrastruktur».

Infrastruktur – das sind doch Strassen, Brücken, allgemein Verkehrs-, Wasser- und Stromversorgungseinrichtungen und dergleichen? Die müssen im Falle eines Konflikts oder vor Naturkatastrophen geschützt werden. Seit wir das Funktionieren unseres Alltags immer weiter Computern anvertraut haben, gehören auch die Maschinen und die Daten, mit denen sie arbeiten, zu den Dingen, die geschützt werden müssen.

Sprache aus der Zeit des Kalten Kriegs wird reaktiviert

Begriffe wie «Cloud-Computing» verleiten zur Illusion, das Neue an den IT-Infrastrukturen sei ihre Ortlosigkeit. Richtig ist, dass man flexibler geworden ist und der Zugriff auf die Daten und Rechenleistung von (fast) überall her möglich ist. Aber gerechnet und gespeichert werden muss noch irgendwo – und zwar hier unten und nicht in den Wolken. Es ist zwar egal, wo die Rechner stehen, aber irgendwo müssen sie sein.

Monika Dommann ist Professorin an der Universität Zürich.

Und das führt zurück zu den Bunkern. Rechenzentren in Bunkeranlagen zu betreiben, drängt sich auf. Unternehmen, welche Datacenter betreiben, rüsten sie wieder auf. Interessant ist, dass damit – neben Diesel-Notstromaggregaten – auch die Sprache und die Bilder reaktiviert werden, welche die Schweiz in Zeiten des Kalten Krieges gepflegt hat. Berge, Bunker, Neutralität, politische und andere Stabilität – und Diskretion.

Ein Unternehmen preist sich als «Swiss Fort Knox» an. Das ist die US-Parallelveranstaltung zu Dagobert Ducks Geldspeicher in Entenhausen, der Ort, an dem die USA ihren Goldschatz aufbewahren sollen.

Sollen Private oder der Staat die Infrastruktur schützen?

Sich vor Cyberangriffen schützen, heisst eben auch, altmodisch für Sicherheit vor Katastrophen und unbefugtem Zugriff zu sorgen. IT-Dienstleistungen sind ein hart umkämpftes Geschäftsfeld und ein zentraler Punkt ist die altmodische Sicherheit vor Katastrophen und unbefugtem Zugriff.

Hier wird das Problem sichtbar, sagte Professorin Monika Dommann. Wer soll das machen? Private oder der Staat? Tech-Giganten oder kleinere, spezialisierte Firmen? Hier wird aus etwas, was technisch angemutet hat, auf einmal etwas, was öffentliche Aufmerksamkeit verdient. Digitale Infrastruktur ist nicht nur kritisch oder fragil, sondern auch politisch.

Für den Schutz der Personen hatten wir die Armee und ihre Bunker. Für den Schutz der Daten und Rechner haben wir (wieder) die Bunker. Aber wer betreibt sie und wer ist verantwortlich? O-Ton Dommann: «Hier wird Politik und Geschichte gemacht.»