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Warum die Pandemie auf die Wirtschaft auch positive Auswirkungen hatte – das sagten die Experten am Aargauer Wirtschaftsanlass

Der Ukraine-Krieg, steigende Coronazahlen, teures Benzin: Viele Faktoren stimmen die Ökonomen zurzeit negativ. Dass die Aussichten in der Schweiz aber gar nicht so düster sind, erklärten Experten am Anlass «Wirtschafts-Perspektiven» in Brugg-Windisch.

Die Referenten waren sich einig: Der Anlass «Wirtschaftsperspektiven» des Aargauischen Gewerbeverbands (AGV) und der Credit Suisse Aargau fand genau zum richtigen Zeitpunkt statt. Der Krieg in der Ukraine hat die Energiepreise nach oben getrieben, die Nationalbank hat überraschend die Leitzinsen erhöht und auch rund um die Coronapandemie und deren Auswirkung auf die Wirtschaft sind viele Fragen offen.

Benjamin Giezendanner, Präsident des Aargauischen Gewerbeverbands, sieht es positiv: «Man könnte es mit dem momentanen Wetter vergleichen, es wird wärmer, und irgendwann folgt das Gewitter.» Auch wenn es eine Entladung gebe; Donner und Blitze seien ja nicht so dramatisch, wenn man nicht direkt darunter stehe. «Ich bin zuversichtlich, dass wir in einem Jahr sagen können: Das Gewitter war gar nicht so schlimm.» Auch wenn er vom Leitzinsentscheid überrascht gewesen sei, sei er überzeugt, dass es «die Schweiz und die Nationalbank sehr gut machen».

Claude Maurer, Chefökonom Schweiz bei der CS, verglich in seinen Ausführungen die wirtschaftliche Lage nicht mit einem Gewitter, sondern mit einem Film: «The Good, the Bad and the Ugly».

Maurer sieht die Pandemie-Situation positiv

«The Good», also der Gute, das sei die Coronasituation, erklärte Maurer etwas überraschend. «Die Schweiz ist aus der Pandemie mit einem blauen Auge davongekommen.» Das Land sei im Aufwärtstrend, mit einer rekordtiefen Arbeitslosigkeit. Für Unternehmer sei das eher schlecht, weil man kaum Leute finde, als Prognostiker stimme ihn das aber positiv, erklärte der CS-Chefökonom:

«Wer sich seiner Stelle sicher ist, der ist ein guter Konsument.»

Maurer fragte dann das Publikum, wer im Herbst mit erneuten Massnahmen rechne – ziemlich genau die Hälfte tut dies. «Auch ich denke, dass es gewisse Einschränkungen geben könnte. Allerdings wird das wirtschaftliche Schadenpotenzial mit jeder Welle kleiner», erläuterte Maurer.

Das grosse «Aber» in der ganzen Geschichte sei China, das weiterhin an seiner Zero-Covid-Strategie festhalten werde. «Das ist das Prestige-Projekt von Staatspräsident Xi Jinping», sagte Maurer. «Weil die Impfquote recht niedrig ist und überlastete Spitäler in China etwas Undenkbares sind, wird es also weiterhin zu Lockdowns kommen.»

Mit einer Spur Zynismus fügte Maurer an: «Immerhin, die Chinesen haben dazugelernt. Man sperrt die Leute nicht mehr zu Hause ein, sondern am Arbeitsplatz.» Das gebe eine gewisse Entlastung für die Lieferketten, aber es werde weniger konsumiert.

Ukraine-Krieg und Inflationsängste

Als «The Bad» bezeichnete Maurer in seinem Film-Vergleich den Krieg in der Ukraine, als «The Ugly» die steigenden Preise und die Angst vor einer Inflation. Teurer geworden sind besonders Heizöl, Benzin, Wohnungsmieten und Automobile, «sofern man sie denn überhaupt bekommt», so der Chef-Ökonom.

Bezüglich Inflation sei das Risiko im Ausland aber wesentlich höher als in der Schweiz. Besonders in den USA drohe eine Lohn-Preis-Spirale. Sorgen macht Maurer auch die Staatsverschuldung mancher Länder, insbesondere Italien. Maurer:

«Es droht eine zweite Schuldenkrise in Europa.»

Die Probleme in der Weltwirtschaft haben nicht ausschliesslich negative Effekte, wie Maurer erklärte. So zeigt eine Umfrage, dass aufgrund der Lieferschwierigkeiten Unternehmen mittlerweile lokaler, aber auch differenzierter einkaufen. «Man kommt wieder weg vom Grundsatz ‹möglichst billig›.»

Leerwohnungsbestand soll künftig abnehmen

Fredy Hasenmaile, Leiter Real Estate Economics, sprach anschliessend zur Situation auf dem Immobilienmarkt. Wie er bereits gegenüber dieser Zeitung ausführte, sieht er die Situation wesentlich positiver als die Nationalbank.

Die Gäste nutzten die Gelegenheit auch, um den Referenten einige Fragen zu stellen, etwa zum Fachkräftemangel oder zum Leerwohnungsbestand, der laut den CS-Experten in den kommenden Jahren etwas abnehmen dürfte – auch im Aargau.