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«Diese Entscheidung tötet Menschen»: Nationalrat streitet emotional über mehr Geld für die Armee und weniger Mittel für die ärmsten Länder

Sparen beim Personal, bei der Entwicklungshilfe und anderswo. Seit Dienstag ringt das Parlament um das Budget für das kommende Jahr. Noch sind die Fronten sehr verhärtet.

Es gehe, sagte Karin Keller-Sutter, nun um das «Beef». Und wenn eine Vegetarierin Fleischvergleiche bemüht, dann wird es ernst. Das Beef ist in diesem Fall das Budget. Der Nationalrat hat am Dienstag seine Beratungen dazu aufgenommen. Im Vorfeld wurde wiederholt martialisch von der «grossen Schlacht» geschrieben, die nun in Bern ausbreche. Gemessen daran blieb es – von ein paar bösen Worten abgesehen – im Bundeshaus beinahe friedlich.

Im Kern geht es um die Frage, wie viel Geld die Armee künftig bekommen soll und – fast noch wichtiger – wie diese Mehrausgaben finanziert werden sollen. Die Kommission der grossen Kammer will das unter anderem mit Kürzungen bei der Entwicklungshilfe machen. Fraglich ist, ob das genügt, damit am Ende ein schuldenbremsenkonformes Budget steht.

Entschieden ist bereits, dass der Nationalrat 530 Millionen Franken mehr für Rüstungsausgaben will. Im kommenden Jahr würden der Armee so 2,7 Milliarden Franken zur Verfügung stehen. Damit bekräftigte die grosse Kammer auch, dass die Armeeausgaben bereits bis 2030 ein Prozent des Bruttoinlandprodukts ausmachen sollen. Der Bundesrat will mehr Zeit, bis dieses Ziel erreicht werden soll.

«Das Skelett gleich beerdigen»

Irène Kälin (Grüne/AG) wehrte sich gegen Querschnittskürzungen beim Personal.
Bild: Keystone

Gespart werden soll unter anderem beim Personal- und Sachaufwand des Bundes. Hier stützte die bürgerliche Mehrheit mehrere Anträge ihrer Kommission. 70 Millionen Franken will etwa der Nationalrat beim Bundespersonal sparen, wo genau, sagt er aber nicht. «Es mag sein, dass beim Bund mal noch etwas Fett vorhanden war, das man abschneiden konnte. Mittlerweile ist das überall weg. Und teilweise sogar das Fleisch», klagte Irène Kälin (Grüne/AG) gegen solche Querschnittskürzungen. Und fügte an: «Es wäre ehrlicher, wenn man das Skelett gleich beerdigen würde.»

Nationalrat Peter Schilliger ortet grosses Sparpotenzial beim Personal.
Bild: Keystone

Auf der anderen Ratsseite sieht man das anders. Immer wieder hiess es: «Wir haben kein Einnahmen-, sondern ein Ausgabenproblem.» Beim Personal gebe es ein «beträchtliches Sparpotenzial», sagte Peter Schilliger (FDP/LU). Sein Parteikollege Alex Farinelli (TI) meinte, es sei «viel ausser Kontrolle geraten, nun können wir korrigieren». Vielleicht müssten einige Bereiche tatsächlich etwas leiden, aber das sei halt so und auch «im Interesse der Schweiz».

Lars Guggisberg will, dass die Schweiz nicht mehr so viel Geld ins Ausland schickt.
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Stets grundsätzlich war die SVP. Des Pudels Kern aller Finanzprobleme sei die Zuwanderung und «dass die Schweiz Milliarden ins Ausland schicke», wie Lars Guggisberg (BE) ausführte. Oder wie es Thomas Stettler (JU) sagte: «Wir haben nicht unbegrenzte Mittel, um alle Probleme dieser Welt zu lösen.» Die Volkspartei will konsequent sparen – von jedwelchen Steuererhöhungen sei abzusehen.

Die humanitäre Tradition bewahren

Tamara Funiciello wehrte sich gegen Kürzungen bei der Entwicklungshilfe.
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«Sie hören das nicht gerne, aber diese Entscheidung tötet Menschen. Denken Sie daran, wenn Sie auf den Abstimmungsknopf drücken», sagte Tamara Funiciello (SP/BE). Ihr ging es um die geplanten Sparmassnahmen bei der Entwicklungshilfe – darüber befindet der Rat erst am Mittwoch. «Wir haben es mit Krisen zu tun und da ist der Staat gefordert», sagte SP-Co-Präsident Cédric Wermuth. Wenn sich die Schweiz nun aus Entwicklungsländern zurückziehe, «werden Russland, China, die Türkei und vielleicht gar der Iran diese Lücken füllen». Das Wording der Sozialdemokraten lautet: «Das ist nicht unser Budget.»

Corina Gredig will die humanitäre Tradition der Schweiz bewahren.
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Offensichtlich ist es auch nicht das Budget der Grünliberalen. «Unsere Schweiz ist mehr als Schoggi, Käse, Banken und Trachten», so Corina Gredig (ZH). Das Land sei stolz auf die humanitäre Tradition und diese «darf man nicht nur an 1.-August-Feiern predigen», sondern müsse ihr auch im Budget Rechnung tragen. Sollten die Kürzungen bei der internationalen Zusammenarbeit durchkommen, so könne die GLP «nicht zustimmen», so Gredig.

Pius Kaufmann (rechts) vertrat für die Mitte das Budget.
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Gewohnt staatstragend gab sich die Mitte: «Wir müssen das Wachstum begrenzen und den Einnahmen Sorge tragen», sagte Pius Kaufmann (LU). Es gehe darum, den Finanzhaushalt wieder ins Lot zu bringen. Gleichzeitig stimmte die Mitte aber für die Aufstockung des Armeebudgets. Die Schweiz habe jahrelang ihre Friedensdividende eingezogen, nun sei es Zeit, «den Kahlschlag aus früheren Zeiten zu korrigieren», sagte Reto Nause (BE).

Es kommt dann noch schlimmer

Wie die Rechnung am Schluss aufgehen soll, ist nach der Debatte am Dienstag ungewiss. Noch immer droht dem Budget der Absturz. Bis am Donnerstag debattiert der Nationalrat weiter, dann beugen sich die Ständerätinnen und Ständeräte ein erstes Mal über die Zahlen.

Und was macht Karin Keller-Sutter? Die Finanzministerin gab sich als Warnerin und mahnte zur Zurückhaltung. In den kommenden Jahren werde es wohl noch schwieriger, den Bundeshaushalt ins Gleichgewicht zu bringen, und daher seien überstürzte Aufstockungsübungen für die Armee nicht hilfreich. Ansonsten aber hielt sie sich bundesrätlich zurück.

Die Dolmetscherin weiss sicher auch um die Doppeldeutigkeit des Begriffs «Beef». Das kann zwar einerseits für Kern – also für das Fleisch am Knochen der Politik – stehen, wird mittlerweile von den jungen Menschen aber hauptsächlich für einen heftigen Streit zwischen zwei Lagern verwendet. Passt in jedem Fall.