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618’000 Franken Sozialhilfe sind zu viel: Kosovarische Familie aus dem Aargau muss die Schweiz verlassen

Als das Aargauer Migrationsamt ein Ehepaar und seinen minderjährigen Sohn nach jahrelangem Sozialhilfe-Bezug aus der Schweiz wegweist, suchen sich die Eltern Arbeit. Zu spät, wie sich jetzt zeigt.

Deutlich mehr als ihr halbes Leben haben ein 55-Jähriger und seine 50-jährige Ehefrau, beide aus dem Kosovo, in der Schweiz verbracht. Doch nun müssen sie das Land verlassen. Das hat das Bundesgericht, in diesem Fall durch drei Richterinnen und zwei Richter besetzt, entschieden. Das Gericht hat die Beschwerde des Ehepaars gegen ein Urteil des Aargauer Verwaltungsgerichts abgewiesen. Das Aargauer Migrationsamt hatte dem Ehepaar und ihrem jüngsten, heute 13-jährigen Sohn die Niederlassungsbewilligung entzogen und ihre Wegweisung verfügt. Drei weitere Kinder sind erwachsen und nicht Teil dieses Rechtsstreits.

Die Frau war 1992 als 17-Jährige per Familiennachzug in die Schweiz gekommen. Nach der Heirat mit ihrem Ehemann im Kosovo kam dieser als 25-Jähriger 1994 in die Schweiz nach. Ab Mai 2008 bis Ende 2022 bezog es rund 618’000 Franken Sozialhilfe von ihrer Gemeinde. Im Januar 2022 kündigte das Migrationsamt ihnen an, die Niederlassungsbewilligung zu entziehen – wegen ihrer Abhängigkeit von der Sozialhilfe. Im April machte es seine Ankündigung wahr.

Ehepaar verdient netto 6400 Franken

Der Entzug der Niederlassungsbewilligung ist gemäss Bundesgericht möglich, wenn ein Ausländer «dauerhaft und in erheblichem Mass auf Sozialhilfe angewiesen ist». Das Ehepaar und ihr Aargauer Anwalt argumentierten im schriftlichen Verfahren vor Bundesgericht, dauerhaft sei ihre Sozialhilfeabhängigkeit nicht, weil sie doch seit eineinhalb Jahren erwerbstätig seien und ein «hohes Einkommen» erzielten. Ihnen sei die Loslösung von der Sozialhilfe gelungen. Das Obergericht ging beim Einkommen von netto 6400 Franken pro Monat aus. Ab Februar respektive Juli 2022 hatten beide eine (Teilzeit-)Stelle.

Angesichts der Höhe und der fast 15 Jahre Bezugsdauer sieht das Bundesgericht allerdings den dauerhaften und erheblichen Bezug von Sozialhilfe als gegeben. Wie das Obergericht taxiert es als zweifelhaft, ob sich das Ehepaar dauerhaft von der Sozialhilfe gelöst habe. Denn beide hätten sich doch erst um Arbeit bemüht, als das Migrationsamt ihnen mit dem Widerruf gedroht hatte.

Ihr Sozialhilfebezug sei darüber hinaus weitgehend selbst verschuldet gewesen. Auch das Bundesgericht erkennt eine «erhebliche Wahrscheinlichkeit» für einen künftigen Sozialhilfebezug. Zum Zeitpunkt des Obergerichtsurteils hatten sie seit zehn Monaten keine Sozialhilfe mehr bezogen.

Öffentliches Interesse überwiegt das private

Die Wegweisung sei für das kosovarische Ehepaar und ihren Sohn zwar hart, so das Bundesgericht. Das öffentliche überwiege aber das private Interesse. Das Ehepaar sei mit seinen unterdurchschnittlichen Sprachkenntnissen, weitgehend fehlenden Kontakten ausserhalb der Familie und mangelhafter beruflich-wirtschaftlicher Integration unzureichend integriert.

Urteil:2C_357/2023