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Krimineller Palästinenser aus dem Aargau feiert Etappensieg im Streit um Aufenthaltsbewilligung

Ein 51-jähriger Palästinenser fordert, dass er erneut eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Aargau erhält – trotz diverser Vorstrafen und obwohl er Reisepapiere verschwieg. Das Bundesgericht gibt ihm in einem Punkt recht - das Aargauer Verwaltungsgericht muss den Fall neu beurteilen.

Ein mehrfach vorbestrafter Palästinenser (Jahrgang 1973) feiert einen Etappensieg im Kampf um eine Aufenthaltsbewilligung im Kanton Aargau. Das Bundesgericht hat seine Beschwerde in einem wesentlichen Punkt gutgeheissen.

Das Aargauer Verwaltungsgericht als Vorinstanz habe es versäumt zu prüfen, ob der Mann in Israel immer noch ein Anrecht auf eine Aufenthaltsbewilligung habe. Das Verwaltungsgericht muss diesen Sachverhalt nun abklären, ehe es über die Beschwerde zu seinem abgelehnten Familiennachzug entscheiden kann.

Es sei nicht klar, ob der Mann, der nicht über die israelische Staatsbürgerschaft verfügt, dort ein Anrecht auf eine Aufenthaltsberechtigung habe. Auch wenn er viele Jahre lang mit der israelischen Regierung kollaboriert habe. Bevor dies nicht abgeklärt sei, könne eine Wegweisung nicht angeordnet werden, hält das Bundesgericht fest.

Vor 23 Jahren kam er in der Schweiz

Der Palästinenser ist in Jordanien oder Gaza geboren. 2001 reiste er in die Schweiz ein und stellte ein Asylgesuch. Ein Jahr später heiratete er eine Frau aus dem Libanon, die damals in der Schweiz eine Aufenthaltsbewilligung hatte und heute Schweizerin ist. Das Ehepaar lebte damals im Kanton St. Gallen. Es bekam fünf Kinder, die heute den Schweizer Pass haben. In den Kanton Aargau zog die Familie im September 2008.

Die Aargauer Aufenthaltsbewilligung des Palästinensers wurde letztmals bis Ende 2017 verlängert. Einige Monate zuvor hatte er ein Gesuch um Familiennachzug gestellt, 2019 ein weiteres Asylgesuch – beides ohne Erfolg. Das Staatssekretariat für Migration (SEM) wies 2019 auch noch ein Gesuch um Anerkennung der Staatenlosigkeit ab.

Vorstrafen unter anderem Namen in Deutschland

Der Palästinenser ist schon diverse Male mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Von Juni 2016 bis Februar 2017 hielt sich der Palästinenser wegen eines Strafprozesses in Deutschland auf. Den Schweizer Behörden teilte er mehrfach mit, dort liege kein Urteil gegen ihn vor. Gemäss dem deutschen Bundesamt für Justiz sind es allerdings drei Verurteilungen, alle unter einem anderen Namen.

Das Landgericht Essen verurteilte den Palästinenser 1998 wegen Kokainhandels in nicht geringer Menge sowie schwerem Raub zu 5 Jahren Freiheitsstrafe. Im Februar 2017 verurteilte ihn das Landgericht Dortmund wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von 2 Jahren auf Bewährung. Das dritte Urteil betrifft eine Geldstrafe wegen Zuwiderhandlungen gegen eine räumliche Aufenthaltsbeschränkung in neun Fällen.

In der Schweiz liegen zwei Vorstrafen vor: In Brugg hat er 2010 eine Busse wegen fahrlässiger Widerhandlung gegen das Waffengesetz, in Solothurn 2015 eine bedingte Geldstrafe wegen Widerhandlungen gegen das Ausländergesetz kassiert.

311’000 Franken Sozialhilfe bezogen

Bis Mitte November hatten der Palästinenser und seine Familie Sozialhilfe in Höhe von rund 311’000 Franken erhalten. Im Oktober 2021 sprach ihm die IV-Stelle des Kantons Aargau rückwirkend ab April 2018 eine volle Invalidenrente zu.

Im Dezember 2021 stellte der Palästinenser schliesslich jenes Gesuch um Familiennachzug für seine Aufenthaltsbewilligung, um das es vor Bundesgericht ging. Wegen der rückwirkend gesprochenen IV-Rente beantragten er und seine Frau den Familiennachzug und Aufenthalt für ihn als Rentner. Ansonsten müsse sein Aufenthalt, im Sinne einer Wiedererwägung, als schwerwiegenden Härtefall bewilligt werden.

Das Verwaltungsgericht muss sich nach dem Urteil des Bundesgerichts erneut mit dem Fall beschäftigen. Stellt es allerdings fest, dass der Mann ein Anrecht auf eine Aufenthaltsbewilligung in Israel hat, dürfte er mit seiner Beschwerde schlechte Chancen haben.

Mehrere Gründe für Widerruf liegen vor

Gemäss Aargauer Verwaltungsgericht liegen zwei von drei möglichen Widerrufsgründen gegen den 2021 beantragten Familiennachzug vor. Das sind jene langjährige Freiheitsstrafe sowie Falschangaben bzw. Verschweigen von wesentlichen Tatsachen (Reisepapiere).

Bei einer Hausdurchsuchung im Dezember 2019 stellten Schweizer Behörden israelische Reisedokumente sowie ein jordanisches Dokument sicher. Gemäss palästinensischen Behörden verfügte er einen bis Juli 2021 gültigen palästinensischen Pass. Insofern sei nicht ersichtlich, inwiefern seine Ausreise nach Israel damals nicht möglich gewesen sein soll, hält das Bundesgericht in seinem Urteil fest.

Beim dritten Widerrufsgrund hat sich die Ausgangslage geändert: Der dauerhafte und erhebliche Sozialhilfebezug liege nicht mehr vor, weil der Mann die IV-Rente zugesprochen erhalten hat, schreibt das Bundesgericht. Insgesamt sei das öffentliche Interesse an seiner Fernhaltung allerdings nach wie vor ausserordentlich gross. Unter anderem habe der Mann mehrere Wegweisungsanordnungen beharrlich ignoriert und sei völlig unwillig, sich an die Schweizer Rechtsordnung zu halten. Sprachlich sei er normal, kulturell und sozial eher mangelhaft integriert.