Lehrling missbrauchte mehrere Kleinkinder in einer Aargauer Kita – aber er muss definitiv nicht ins Gefängnis
Im Mai 2018 erzählte ein vierjähriger Bub aus der Region Baden seinem Vater, dass sein Betreuer in der Kinderkrippe «mein Schnäbi in den Mund genommen hat». Gut zwei Jahre später stand ein Mann, der damals in der Kita seine Lehre absolviert hatte, vor dem Bezirksgericht Baden. Angeklagt war der nicht vorbestrafte 28-Jährige wegen mehrfacher sexueller Übergriffe und mehrfacher Schändung.
Der Lernende soll in der Kita jeweils zur Mittagszeit den Gruppen-Schlafraum der Kinder aufgesucht und sich an den Buben im Alter von zwei bis vier Jahren vergangen haben. Er soll den Penis mehrerer Kinder in den Mund genommen und den eigenen einem von ihnen in den Mund eingeführt haben. Laut der Anklageschrift erwachten die Buben schnell, woraufhin er von ihnen abliess.
Bezirksgericht verhängte eine unbedingte Freiheitsstrafe
Das Bezirksgericht Baden sprach den Mann im August 2020 der mehrfachen sexuellen Handlungen mit einem Kind und der mehrfachen Schändung schuldig. Dies nicht nur im Fall eines zweijährigen Buben, sondern auch wegen Übergriffen gegen ein zweites Kleinkind. Das Gericht verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 32 Monaten, davon 12 Monate unbedingt, und einer Busse von 1000 Franken.
Das Obergericht des Kantons Aargau sprach den Mann im Januar 2022 in Bezug auf die Vorwürfe zum zweijährigen Jungen frei. Nur im Fall des anderen Kindes hielt es die Schuld für erwiesen, deshalb wurde der Mann mit einer bedingten Freiheitsstrafe von 16 Monaten belegt. Damit wurde das ursprüngliche Urteil deutlich gemildert, die einjährige unbedingte Gefängnisstrafe entfiel.
Befragungen und Therapie könnten Erinnerung des Kindes beeinflusst haben
Der betroffene Bub, vertreten durch seine Eltern, gelangte in der Folge mit einer Beschwerde ans Bundesgericht und kritisierte unter anderem die Beweiswürdigung des Obergericht. Dieses hatte sich auf den Standpunkt gestellt, dass die verwertbare Einvernahme des Opfers erst zwei Jahre nach dem ersten behaupteten Übergriff stattgefunden habe, weshalb die Aussagen «praktisch keiner inhaltlichen Analyse zugänglich» seien.
Es sei nicht auszuschliessen, dass Befragungen und Therapien die Erinnerungen des Kleinkindes beeinflusst und verfälscht hätten, hielten die Aargauer Oberrichter fest. Das Bundesgericht beurteilt den Fall gleich wie die Vorinstanz und bestätigt deren Urteil. Auch den Kritikpunkt, das Obergericht habe kein aussagepsychologisches Gutachten eingeholt, lässt das Bundesgericht nicht gelten Die Beschwerde des Buben und seiner Eltern wird in allen Punkten abgewiesen, der Täter muss demnach nicht ins Gefängnis.