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Urteil gegen «Saga-Khan»-Räuber aufgehoben: Obergericht muss zwei brutale Überfälle neu beurteilen

Im März 2012 überfielen zwei Männer das Restaurant Saga Khan Mägenwil und mit einem Komplizen die Shell-Tankstelle Hunzenschwil. In beiden Fällen fiel ein Schuss, die Kugeln verfehlten Angestellte nur knapp. Die zwei Täter wurden zu 12,5 und 8,5 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt – doch nun hat das Bundesgericht dieses Urteil aufgehoben.

Es waren zwei brutale Überfälle, die vor fast zehn Jahren für Schlagzeilen sorgten: Am 6. März 2012 raubten drei Männer die Shell-Tankstelle in Hunzenschwil aus, am 28. März 2012 überfielen zwei von ihnen das bekannte Restaurant Saga Khan in Mägenwil. In beiden Fällen fiel ein Schuss, die Kugeln verfehlten Angestellte jeweils nur knapp. Dafür wurden der Italiener Danilo D. (heute 36 Jahre alt) und der Schweizer Christian S. (heute 31 Jahre alt) zu langjährigen Freiheitsstrafen verurteilt.

Das Bezirksgericht Lenzburg sprach die beiden im November 2018 des mehrfachen qualifizierten Raubes und des bandenmässigen Diebstahls schuldig und verhängte Freiheitsstrafen von 13 und 9 Jahren. Das Aargauer Obergericht reduzierte diese Strafen im Mai 2020 nur minimal auf 12,5 und 8,5 Jahre. Bei beiden Verhandlungen hatte der Verteidiger der Räuber argumentiert, die Strafen seien deutlich zu hoch.

Mittäter wegen Schussabgabe eines Komplizen verurteilt

Er hielt fest, beim Überfall auf die Tankstelle habe keiner der beiden verurteilten Männer geschossen. Den Schuss habe der dritte Täter abgegeben, das Gericht habe den beiden Komplizen dies jedoch ebenfalls als Tatbeteiligung zugerechnet, was falsch sei. Laut der Anklage hatten die drei Männer eine Schreckschusspistole und eine geladene 9 mm-Pistole mitgenommen. Der dritte Täter habe bereits mehrere bewaffnete Überfälle verübt und teilweise Schüsse abgefeuert, was die anderen gewusst hätten.

Bezirks- und Obergericht kamen deshalb zum Schluss, dass Danilo D. und Christian S. die Schussabgabe des Komplizen in der Tankstelle billigten. Der Schweizer war in Hunzenschwil als Wache im Auto geblieben, während seine maskierten Kollegen den Shop betraten und mit gezogenen Pistolen Richtung Kasse liefen. Sie bedrohten die Verkäuferin mit der Waffe und verlangten Geld verlangt. Ohne Vorwarnung schoss der dritte Täter knapp an ihr vorbei, um sie zur Eile anzutreiben.

Saga-Khan-Mitarbeiter: «Ich hatte Angst und stand unter Schock»

Später überfielen Danilo D. und Christian S. maskiert das mongolische Restaurant Saga Khan. Der Italiener stand als Aufpasser mit einer Schreckschusspistole beim Eingang. Der Schweizer bedrohte einen Angestellten mit einer Pistole vom Typ Sigg Sauer P228. Während eines Handgemenges kam es dabei zu einer Schussabgabe, die Kugel verfehlte den Mitarbeiter nur um 10 Zentimeter.

Der Schock sass bei allen Beteiligten tief, wie der Restaurant-Mitarbeiter Kumar Ramasamy damals zu Protokoll gab: «Ich hatte Angst und stand unter Schock». Auch der Restaurant-Besitzer Peter Kaufmann erinnert sich an den Überfall: «Die anwesenden Gäste haben geschrien und sich unter die Tische gelegt.» Die beiden Täter flüchteten schliesslich ohne Beute.

Bundesgericht hebt Urteil des Aargauer Obergerichts auf

Das Bundesgericht hat nun den Entscheid des Aargauer Obergerichts aufgehoben. Dies, weil der Schuldspruch wegen qualifizierten Raubes Bundesrecht verletze, wie es im Urteil heisst. Zwar stellen selbst die Beschwerdeführer nicht in Abrede, dass sie beim Überfall auf die Tankstelle als Mittäter mitwirkten. Laut Bundesgericht rechnete die Vorinstanz ihnen jedoch zu Unrecht alle Handlungen des dritten Beschuldigten – unter anderem die Schussabgabe – zu.

Dasselbe gilt für den Überfall auf das Saga Khan: Auch dort könne der Italiener, der nur draussen Wache gehalten habe, nicht für die Schussabgabe des Schweizers verantwortlich gemacht werden. Das Aargauer Obergericht muss sich nun erneut mit dem Fall auseinandersetzen und die Höhe der Freiheitsstrafen neu festlegen.