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Angeklagt wegen Terrorsupport: Eltern überweisen ihrem Dschihad-Sohn mehr als 50’000 Franken nach Syrien

Haben die Eltern ihren Sohn in einer misslichen Lage in Syrien unterstützt oder den IS finanziert? Am Montag hat vor Bundesstrafgericht in Bellinzona der Prozess gegen die Mutter und den Vater eines Genfer Dschihad-Reisenden begonnen.

Der Mann ist dreissigjährig und steckt seit etwa fünf Jahren in einem kurdischen Gefängnis in Syrien.Dort werde er gefoltert und unmenschlich behandelt, sagte er Anfang 2023 gegenüber der «Rundschau». Der Reporter konnte die Angaben vor Ort nicht überprüfen.

Bei dem Mann handelt es sich um einen Dschihad-Reisenden. Als Teenager konvertierte er vom Katholizismus zum Islam, radikalisierte sich und reiste im April 2015 nach Syrien, um sich der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) anzuschliessen. Zunächst kappte er den Kontakt zu seinen Eltern gänzlich, doch ab Juli des gleichen Jahres kommunizierte er regelmässig mit ihnen, hauptsächlich mit der Mutter.

Er schickte Fotos, auf denen er in Militärkleidern vor der IS-Flagge posierte und brachte seine Verachtung gegenüber dem Glauben seiner Eltern und dem Westen zum Ausdruck. In abgehörten Telefongesprächen mit seiner Mutter sprach er davon, sich in der Schweiz in die Luft zu sprengen. 2017 heiratete er eine französische IS-Anhängerin, im Juli des darauffolgenden Jahres gebar sie eine Tochter. Ehefrau und Kind sollen in einem Lager stecken, der Ehemann noch immer im Gefängnis. Gegen ihn führt die Bundesanwaltschaft ein Verfahren wegen Terrorunterstützung.

Die Eltern des Dschihad-Reisenden sitzen schon jetzt auf der Anklagebank. Am Montag hat vor Bundesstrafgericht in Bellinzona die Verhandlung gegen sie begonnen. Der heute sechzigjährigen Mutter und dem siebzigjährigen Vater wirft die Bundesanwaltschaft vor, ihrem Sohn zwischen dem September 2016 und Mai 2019 mehr als 50’000 Franken überwiesen und damit die Terrororganisation IS unterstützt zu haben. Der Vater fehlte beim Prozessauftakt aus gesundheitlichen Problemen. Er soll innerhalb der nächsten zehn Tagen befragt werden.

Gemäss dem Radio und Fernsehen der italienischen Schweiz (RSI) bestätigte die Mutter die Geldtransfers – aber nicht, um den IS, sondern ihren Sohn in einer misslichen Lage zu unterstützen und Schlepper für die Rückkehr in die Schweiz zu bezahlen. Der Anwalt der Mutter sagte in der SRF-Sendung «Echo der Zeit», der Prozess stelle für sie eine unglaubliche Belastung dar. Sie habe die Philosophie des IS nie auch nur im Ansatz geteilt.

Geld aus Lebensversicherung und Hausverkauf

Für die Bundesanwaltschaft ist klar, dass die Eltern mit ihren Geldüberweisungen eine Terrororganisation unterstützt haben. In der Anklageschrift listet sie alle rund 20 Transaktionen auf, welche die Mutter im Wissen des Vaters zugunsten ihres Sohnes tätigte – angefangen von ein paar hundert Franken bis hin zum grössten Betrag von rund 40’000 Franken. Das Geld floss über Mittelsmänner und -frauen via Western Union und andere Kanäle nach Syrien. Im März 2019 schrieb der Sohn seinen Eltern, er brauche nicht viel zum Leben, die Miete betrage 50 Franken, monatlich komme er mit 300 Franken aus.

Die in einfachen Verhältnissen lebenden Eltern verloren laut NZZ einen grossen Teil ihres Vermögens, weil sie sich dem Druck ihres Sohnes beugten und ihm Geld schickten. Wie sehr sie an die Schmerzgrenze gingen, zeigt der einmalige Betrag von 40’000 Franken, den sie im Mai 2019 tätigten. Die Hälfte der Summe stammte aus der Lebensversicherung der Mutter, ein Viertel von einem Hausverkauf in Portugal, und etwa 8000 Franken liehen sie sich bei einer Cousine aus. Speziell auch: Die 40’000 Franken in Empfang nahmen zwei IS-Mitglieder, die extra aus Deutschland in die Schweiz gereist waren.

Vor Gericht gab die Mutter gemäss der Agentur keystone-sda zu Protokoll, ihr Sohn sei gegen seinen Willen nach Syrien gereist. Und dass er ohne ihr Geld umgebracht worden wäre. Das Urteil wird später gefällt.