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Sepp Blatter vor Gericht: Sein Anwalt will gleich die Fifa vom 2-Millionen-Verfahren ausschliessen

Prozessauftakt um die strittige 2-Millionen-Zahlung an Michel Platini: Jetzt sagt der ehemalige Fifa-Präsident Joseph Blatter (86) in Bellinzona als Beschuldigter aus.
Vor dem Gerichtsgebäude wird er bereits von zahlreichen Medienschaffenden erwartet.
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Beim Prozess geht es um eine strittige Zahlung von zwei Millionen Franken an Platini.
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Diese Zahlung soll der heute 66-Jährige im Jahr 2011 unrechtmässig erhalten haben.
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Als Beschuldigter ist auch der ehemalige Fifa-Präsident Joseph Blatter (86) ans Gericht in Bellinzona zitiert worden.
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Auch er wurde bei seiner Ankunft von Medienleuten aus ganz Europa belagert.
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Weitere Bilder vom Prozessauftakt in Bellinzona.
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Als erster erschien am Mittwoch Sepp Blatter (86). Um 8 Uhr 15 fuhr er mit seiner Tochter Corinne und seinem Anwalt Lorenz Erni vor dem Bundesstrafgericht in Bellinzona vor, umringt und scharf beobachtet von einem Schwarm von Medienleuten aus halb Europa.

Blatter trat zum Strafprozess an, in dem es um die zwei Millionen Franken geht, die er im Jahr 2011 seinem damaligen Fifa-Vizepräsidenten Michel Platini unrechtmässig verschafft haben soll. So lautet die Anklage der Bundesanwaltschaft unter Staatsanwalt Thomas Hildbrand. Blatter und Platini bestreiten jede Unrechtmässigkeit, es habe sich um eine Nachzahlung eines Honorars aus den Jahren 1998 bis 2002 gehandelt.

Ein dreiköpfiges Gericht unter der Vorsitzenden Joséphine Contu führt die Hauptverhandlung gegen die beiden ehemaligen Fussballfunktionäre. Die Fifa tritt als Privatklägerin auf. Pünktlich um 9 Uhr eröffnete Contu die Verhandlung. In der ersten Reihe sitzt mit ernster Miene Sepp Blatter, neben ihm sein Anwalt Lorenz Erni. Schräg hinter ihm mit verschränkten Armen Michel Platini, neben sich den Genfer Anwalt Solari und den Berner Dominic Nellen.

Anwesend ist auch die Fifa unter Chef Gianni Infantino als Privatklägerin, die die beiden ehemaligen Funktionäre unbedingt verurteilt haben will. Angeführt wird die Delegation von der Genfer Anwältin Catherine Hohl-Chirazi. Dieser Auftritt ist allerdings umstritten: So stellt Blatter-Anwalt Lorenz Erni gleich zu Beginn des Verfahrens den Antrag, die Fifa vom Verfahren auszuschliessen. Es habe gar keinen statutenkonformen Beschluss der Fifa-Gremien gegeben, den Verband als Privatkläger zu konstituieren, so Erni. «Für mich ist klar, die Fifa ist als Privatklägerin nicht zuzulassen, deren Vertretung ist heute zu entlassen», sagt Erni.

Auch im Rahmen der Vorfragen bestritt Platini-Anwalt Dominic Nellen, dass das Gericht zuständig ist, dieses Verfahren zu führen. «Sind wir hier überhaupt im richtigen Stadion?», so Nellen. Zuständig wäre nämlich für solche Sachverhalte – es geht um Betrug oder ungetreue Geschäftsbesorgung – ein kantonales Gericht, wohl in Zürich. Es gebe keine Bundeszuständigkeit, sagte der Anwalt.

Nellen wirft auch die Frage auf, ob das Verfahren überhaupt rechtlich korrekt in Gang kam. Er thematisiert die Rolle des damaligen Staatsanwalts Olivier Thormann, die unter anderem in der Disziplinarverfügung der Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft AB-BA gegen Bundesanwalt Lauber thematisiert wurde. Dort ist, neben den unerklärten Geheimtreffen, unter anderem auch die Frage aufgeworfen worden, ob die Siegelung der von der Bundesanwaltschaft bei der Fifa beschlagnahmten Akten rechtmässig war.

Nellen verlangt zudem die Verschiebung des Verfahrens. Zuerst soll das Strafverfahren der beiden ausserordentlichen Bundesanwälte gegen die Herren Michael Lauber und Gianni Infantino wegen der Geheimtreffen abgewartet werden. Es gebe hier nämlich einen offensichtlichen Zusammenhang und zahlreiche Parallelen, sagt Nellen: «Personelle, sachliche, rechtliche». So sei es Lauber selbst gewesen, der laut AB-BA-Verfügung der Fifa riet, Strafanzeige einzureichen.

Nellen verlangt, die Akten des Strafverfahrens gegen Lauber und Infantino beizuziehen. Umso mehr, als jetzt auch Olivier Thormann, der das Verfahren gegen Blatter eröffnet hatte, und der ehemalige Fifa-Chefjurist Marco Villiger als Beschuldigte ins Strafverfahren um die Schweizerhof-Affäre aufgenommen würden.

Nellen wird an dieser Stelle unterbrochen von einem sichtlich enervierten Staatsanwalt Thomas Hildbrand, einem entfernten Verwandten von Sepp Blatter. Das Gericht habe gewisse Anträge bereits abgelehnt, es könne nicht sein, dass jetzt wieder darauf eingegangen werde. Die Richterin griff ein und gab das Wort wieder Nellen. Auch dieser bestritt in der Folge wie schon Erni, dass die Fifa als Privatklägerin vereinsrechtlich überhaupt legitimiert ist.

Staatsanwalt Hildbrand beantragt, sämtliche Anträge abzuweisen. Die Fifa sei als Privatklägerin sehr wohl legitimiert. Auch die Zuständigkeit des Gerichts sei gegeben. Es wäre prozessökonomisch auch deplatziert, dass Verfahren an ein anderes Gericht zu überweisen. Keinen Einwand hatte Hildbrand gegen den Antrag der Verteidigung Platini, die ungeschwärzte Disziplinarverfügung gegen den ehemaligen Bundesanwalt Lauber zu den Akten zu nehmen. In dieser Verfügung wird massiv Kritik an der Art geübt, wie unter dem Bundesanwalt Verfahren geführt wurden.

Hildbrand bestritt auch, dass die Teilnahmerechte von Platini, der erst vier Jahre nach Blatter als Beschuldigter ins Verfahren aufgenommen wurde, verletzt worden waren.

Fifa-Anwältin Catherine Hohl beantragt in etwas schwerfälligem, jedenfalls originellem Deutsch, sämtliche Anträge abzuweisen. Wichtig ist ihr, zu betonen: Das Verfahren der ausserordentlichen Bundesanwälte gegen Lauber und Infantino habe nichts zu tun mit dem Verfahren gegen Blatter und Platini. «Es gibt keine Verbindung», sagt die Fifa-Anwältin, und bezieht sich dabei auf Aussagen des ausserordentlichen Bundesanwalts Maurer (CH Media berichtete).

Es zeigt sich einmal mehr: Für die Fifa ist es absolut zentral, zu betonen, dass Infantino nichts mit dem Blatter-Platini-Verfahren zu hat. Der Schutz von Präsident Infantino hat für sie offensichtlich höchste Priorität.

Das Gericht wird demnächst über die Anträge entscheiden.

Sprachgewirr und Wechsel der Verfahrenssprache geben zu reden

Grosses Thema in Bellinzona sind die Sprachen. Das Verfahren wurde einst auf Französisch geführt, nachdem Hildbrand den Fall übernahm, wechselte die Verfahrenssprache auf Deutsch. Das ist namentlich ein Problem für Platini, der kein Deutsch versteht. Zwar wird die Verhandlung simultan übersetzt, aber offenbar lückenhaft. Französische Medienleute sagen, ihnen fehlten Teile der Debatten. Ein Problem ist die Sprache auch für die Fifa: Die Anwältin der Fifa wollte ihr Plädoyer auf Französisch führen, was aber vom Gericht abgelehnt wurde.

Es ist eine alte Geschichte, datiert aus dem Jahr 2011, mit Wurzeln im Jahr 1998, unter Ermittlung der Bundesanwaltschaft seit geschlagenen sechseinhalb Jahren, und jetzt wird sie endlich gerichtlich überprüft: Die von der Bundesanwaltschaft als Betrug verstandene Zahlung von 2 Millionen, die die Fifa 2011 auf Anweisung von Präsident Sepp Blatter an seinen Vize und früheren Berater Michel Platini zahlte.