
Zurück im Geschäft der Grossen: Wie es Arsenal wieder unter die besten vier Teams Europas schaffte
«This is our time» – «Dies ist unsere Zeit». Bevor die Spieler von Arsenal den Rasen im Emirates-Stadion betreten, lesen sie auf dem Weg die Worte des Trainers Mikel Arteta. Der 43-jährige Spanier liess Begriffe und Sätze anbringen. «Einheit», «Vertrauen» steht dort. Und an einer anderen Wand in weissen Buchstaben auf rotem Hintergrund: «Kämpft bis zum Ende».
Einst, als die Arena 2006 als die modernste ihrer Zeit eröffnet wurde, wurden die Heimkabinen für den damaligen Trainer Arsène Wenger gross, geräumig und rund umgebaut. Der Franzose, der Arsenal 22 Jahre lang als Trainer geprägt hatte, stand für schönen Ballbesitzfussball. Unvergessen bleibt das Team der «Invincibles», das 2004 in 38 Ligaspielen ungeschlagen englischer Meister wurde.
Und 2006 stürmte sein Team mit spektakulären Spielern wie Thierry Henry, Freddie Ljungberg, Dennis Bergkamp, Cesc Fabregas oder dem Schweizer Philippe Senderos als erstes Londoner Team in den Final der Champions League. Obwohl der FC Barcelona auch wegen einer frühen roten Karte gegen Arsenal-Goalie Jens Lehmann das Spiel für sich entschied, zählten die Gunners damals zu den Grössten im Weltfussball.
Arteta setzt weniger auf Ballbesitzfussball
Doch diese Glanzzeiten verblassten. Nach Jahren des Mittelmasses brauchte es mit Mikel Arteta einen ehemaligen Schützling Wengers, um auf die grosse Bühne zurückzukommen. Nun ist Arsenal wieder unter den besten vier Teams Europas, trifft im Champions-League-Halbfinal am Dienstagabend auf Paris St. Germain.
Anders als einst unter Wenger ist Arsenals Spiel unter Arteta weniger vom Ballbesitz geprägt. Zwar war Arteta einst Wengers Captain und später Assistent von Pep Guardiola bei Manchester City. Dennoch lässt er einen anderen Fussball spielen als die beiden ballbesitzorientierten Fussballlehrer, die als Synonyme für das schöne Spiel gelten.
Der Erfolg der Nordlondoner, die in der Premier League Meister Liverpool den Vortritt lassen mussten, fusst in erster Linie auf einer guten Defensivorganisation mit gezieltem Pressing und taktischer Disziplin. «Ich mag das Wort ‹Kontrolle› nicht wirklich. Ich mag ‹Dominanz›. Wir wollen den Gegnern das Atmen verwehren und nicht blosse Kontrolle», sagte Arteta im Verlauf dieser Saison.

Bild: Adam Davy / AP
Als Fussballer wurde Arteta durch Wenger und später als Trainer durch Guardiola geprägt. Doch nicht nur diese beiden haben das Spiel des Spaniers beeinflusst. Sechs Jahre lang spielte Arteta unter dem heutigen West-Ham-Trainer David Moyes bei Everton und lernte dabei, dass auch das Spiel gegen den Ball Erfolg bringen kann.
Wenger kümmerte sich jeweils wenig um den Gegner und fokussierte auf die Stärke seines eigenen Teams. Moyes aber gilt als das genaue Detail. Der Taktikfuchs bereitet sich auf seine Gegner millimetergenau vor. Nun kombiniert Mikel Arteta als Trainer von Arsenal diese beiden Arbeitsweisen.
Arteta investierte rund 400 Millionen in die Defensive
Die Sicherheitsbemühungen Artetas zeigen sich auch in den Ausgaben. In seinem vierjährigen Arsenal-Projekt hat Arteta rund 400 Millionen Pfund in Torhüter, Verteidiger und defensive Mittelfeldspieler investiert, während er für offensive Mittelfeldspieler und Stürmer nur etwa 190 Millionen ausgegeben hat. Der Königstransfer war dabei Declan Rice, für den die Nordlondoner 105 Millionen Pfund an West Ham zahlten.
Rice ist der Chef im Mittelfeld. Er übernimmt die Absicherung, initiiert aber auch das Pressing und wurde somit zum Schlüsselspieler in Artetas System. Dazu kommt noch, dass er auch torgefährlich sein kann – so wie mit seinen beiden direkten Freistosstoren im Champions-League-Viertelfinal gegen Real Madrid.
Grund für die Rückkehr Arsenals unter die besten vier Teams Europas ist auch die unglaubliche Heimstärke. Arsenal ist in der Champions League zu Hause seit elf Spielen ungeschlagen. Den Halbfinalgegner PSG schickten sie in der Ligaphase im Oktober mit einem 2:0 nach Hause.
Die Festung des Heimstadions wird auch dank Mikel Arteta immer stärker. Er bewunderte stets die magnetische Anziehungskraft der Anfield Road in Liverpool oder die Wucht des Estadio Santiago Bernabéu in Madrid. Deshalb soll nun auch im Norden Londons eine Festung entstehen. Gegen PSG soll nun ein riesiges Banner vom Dach hängen, zudem gibt es eine grosse Choreografie.
«Dies ist unsere Zeit», steht dank Mikel Arteta an den Wänden im Emirates. Vielleicht stimmt dieser Satz – und die lange Reise Arsenals zurück an die europäische Spitze findet ihren krönenden Abschluss.