«Freiheit vor Freihandel»: Mitte-Präsident Pfister kritisiert Swissmem scharf – und will klären, wie die Schweiz mit autoritären Staaten umgeht
Der Zuger Mitte-Nationalrat Gerhard Pfister nimmt kein Blatt vor den Mund: «Wenn Swissmem ein Verband wäre, der vorausschaut, hätte er schon vor Jahren die Diskussion aufgenommen, wie die Schweiz künftig mit autokratischen Staaten umgehen soll.»
Der 59-jährige Parteipräsident bezieht seine Aussage auf die Kritik von Seiten des Verbands Swissmem in der «NZZ am Sonntag». Der Verband der Schweizer Maschinen-, Elektro- und Metallindustrie bezeichnet das Misstrauen der Schweiz gegenüber China als «überdreht und emotionalisiert». Das Bild von China als Wirtschaftsraum werde immer düsterer, Schuld daran seien Medien und Politik.
Grund für den Unmut bei Swissmem sind die vorerst auf Eis gelegten Verhandlungen zur Weiterentwicklung des Freihandelsabkommen mit China. Die Schweiz schloss dieses 2014 ab, seit mehreren Jahren laufen Bestrebungen, das Abkommen zu erneuern. Unter anderem sollen weitere Schweizer Produkte vom Zoll befreit werden – darunter auch solche von Swissmem-Mitgliedern. Doch seit 2018 weigern sich die Chinesen, mit der Schweizer Delegation über die Neuverhandlung des Abkommens zu sprechen. Darüber berichtete am Sonntag auch der «SonntagsBlick».
Schweizer Forderungen sind für China eine «Herausforderung»
Es sei bisher «noch nicht gelungen, sich auf eine gemeinsame Liste von Themen zu einigen, die vertieft werden sollen», schreibt das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) auf Anfrage. Die Situation habe sich seit dem letzten Gespräch 2018 nicht verändert. Die Forderung der Schweiz nach einem zollfreien Marktzugang für sämtliche Industrieprodukte «stellt für China nach wie vor eine Herausforderung dar», so das Seco.
Ob allein Chinas inhaltliche Bedenken für die Blockadehaltung verantwortlich sind, bleibt zu bezweifeln: Die Vermutung liegt nahe, dass der Dialog unter anderem deshalb eingestellt wurde, weil die Schweiz Menschenrechtsverstösse in China klarer benennt als noch vor einigen Jahren.
So äusserte der Bund beispielsweise «grosse Sorge» und forderte eine unabhängige Untersuchung durch die UNO, als Ende 2019 bekannt wurde, wie ethnische Minderheiten – darunter Uiguren – in Xinjiang und in Tibet interniert, verfolgt und misshandelt werden. Auch im Parlament tauchten zuletzt vermehrt Forderungen auf, wonach die Schweiz ihre Abhängigkeit von autoritären Staaten wie China oder Russland reduzieren soll – egal ob im Bereich Energie, Ernährung oder Medizin.
«Man hat sich der Diskussion noch nicht gestellt»
Für Gerhard Pfister hätte die Diskussion rund um das Verhältnis zu autoritären Staaten schon längst geschehen sollen. Den Umgang mit China habe die Schweiz lange stark verharmlost: «Man hat meine Partei nur kritisiert, als wir vor fünf Jahren genau diese Thematik aufgenommen haben.» Leider habe sich bis heute weder die Politik noch die Gesellschaft der Diskussion gestellt, so Pfister weiter. Für den Parteipräsidenten der Mitte ist klar: «Wenn wir uns zwischen Freiheit und Freihandel entscheiden müssen, wähle ich die Freiheit.»
Ob das der Bund auch so sieht, lässt das Seco offen. Es verweist darauf, dass die Schweiz in ihren Freihandelsabkommen Bestimmungen vorsehe, welche die Vertragsparteien dazu anhalten, «die wirtschaftlichen Ziele mit jenen im Bereich des Umweltschutzes und der Arbeitsrechte in Übereinstimmung zu bringen». In der Präambel aller Handelsabkommen stehe zudem, dass «die Respektierung der Menschenrechte gewährleistet sein» müsse.
Klar ist aber auch, dass Handelseinschränkungen mit China für die Schweizer Wirtschaft grosse Auswirkungen hätten. Das Land ist nicht nur der wichtigste Handelspartner der Schweiz in Asien, sondern auch der drittwichtigste Handelspartner weltweit. Das schreibt das Aussendepartement (EDA) in seiner «China-Strategie 2021–2024». Darin hält der Bund weiter fest, dass die Schweiz das Ziel verfolge, «gegenüber China klar zum Ausdruck zu bringen, dass der Respekt der individuellen Grundrechte fundamentaler Bestandteil der gemeinsamen Beziehungen» sein müsse. Gut möglich, dass dieses Ziel einer Erneuerung des Handelsabkommens im Wege steht.