Gegen Long Covid helfen verschiedene Medikamente – nun wurden sogar Indizien im Blut gefunden, die eine eindeutigere Diagnose versprechen
Nicht alle, die Long Covid haben, haben auch Myalgische Enzephalomyelitis und chronische Fatigue, kurz ME/CFS. Aber wenn die Symptome nach einem Jahr nach der Infektion noch bestehen und sich nach einer Anstrengung oder zu vielen Reizen über Tage oder Wochen verschlimmern, dann ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass derselbe Mechanismus dahinter steckt.
Einen Marker im Blut, welcher eine einfache Diagnose ermöglicht, gibt es noch nicht. Aber Forschende in Australien fanden kürzlich ein solches Indiz im Blut: die sogenannten circRNAs. Diese sind bereits bekannt als mögliche Marker bei neurologischen Krankheiten wie Parkinson oder Alzheimer. Bei ME/CFS-Patienten waren diese circRNAs höher als bei Gesunden – 14 dieser circRNAs waren bei Gesunden nicht zu finden. Fünf davon könnten laut den Forschenden als Biomarker im Blut taugen.
Ob das stets auch bei Long Covid der Fall ist, wurde nicht untersucht. Klar ist, dass sowohl bei ME/CFS- wie auch bei Long-Covid-Patienten oft eine Blutgerinnungsstörung vorliegt: Nach der Infektion kommt es zu mikroskopisch kleinen Verklumpungen und dadurch zu einer schlechteren Durchblutung und Versorgung mit Sauerstoff. Ausserdem wird die Zellwand, das Endothel, geschädigt.
Als vaskuläre Krankheit, verursacht durch das Spike-Protein, bezeichnen Long Covid deshalb US-Forschende in einer neuen Studie. Zwei britische Forschende, Harriet Caroll und Robin Kerr, schlugen vor, diese häufige Art von Long Covid umzubenennen in «Spike-Protein verursachte thrombische Vaskulitis, SITV.»
Sie beschrieben einen Fall, wo ein Patient mit drei verschiedenen Blutverdünnern geheilt werden konnte. Darunter waren Aspirin und das Antidepressivum Sertraline, das nicht nur entzündungshemmend wirkt, sondern auch an die Spike-Protein-Einheit S1 bindet und gegen Verklumpungen hilft. Eine andere Methode, die manchen Patienten zumindest vorübergehend zu helfen scheint, ist eine sehr teure, mehrfache Blutwäsche, bei der man solche Verklumpungen herausfiltert.
Sarah B. halfen hingegen Antihistamine. Diese dämpfen den Zytokinsturm, also die überschiessende Entzündungsreaktion durch die Mastzellen (eine Art der weissen Blutkörperchen) nach einer Infektion mit Sars-Cov-2. Antihistamine werden auch bei akut kranken Covid-19-Patienten eingesetzt.
Wenn die Ursache für Long Covid hingegen ein entgleistes Immunsystem ist, wie man es ebenfalls bei ME/CFS vermutet, braucht es wohl andere Therapien: Protazy Reymer geht davon aus, dass das Immunsystem bei ME/CFS permanent angekurbelt ist. Auch scheint die Energiegewinnung in den Zellen (in den Mitochondrien) gestört zu sein. Zudem kann sich die Immunreaktion fälschlicherweise gegen eigene Zellen richten. So entstehen Autoantikörper. Gewisse Autoantikörper hofft die Firma Berlin Cures mit ihrem Medikament BC 007 neutralisieren zu können und so die Krankheit zu heilen. Doch die Studie mit rund hundert Teilnehmenden ist eben erst gestartet.
Mit Autoantikörpern zusammenhängen könnten auch das posturale Tachykardiesyndrom (POTS), das nicht selten bei Long Covid auftritt. Dabei vertragen Patienten das Aufrichten nicht, und die Herzfrequenz nach dem Aufstehen beträgt über 120 Schläge pro Minute, normalerweise sollte die Frequenz im Stehen unter 100 Schlägen pro Minute bleiben.
Auch eine Fehlfunktion des vegetativen Nervensystem kann bei POTS und Long Covid vorkommen. Der Präsidentin von Long Covid Schweiz, Chantal Britt, helfen Betablocker gegen den überhöhten Puls.
Auch wenn Ärztinnen und Ärzte noch nicht eindeutig sagen können, ob jeweils Long Covid vorliegt: Hunde können Long Covid offenbar anhand von Schweissproben identifizieren. Diese Studie und viele weitere sind in einem wissenschaftlichen Artikel enthalten, der Anfang Jahr bei «Nature» von einem Team um den US-Mediziner Eric Topol erschienen ist und alle bisherigen Erkenntnisse zu Long Covid zusammenfasst.