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An der Klimakonferenz wird zum 29. Mal über dieselben Fragen gestritten. Wozu das Ganze?

52’000 Vertreter und Vertreterinnen von Ländern und Organisationen verhandeln aktuell in Baku mal wieder über die Klimaerwärmung. Echte Verpflichtungen gibt es danach nicht. Etwas anderes bringt die Welt trotzdem mit jedem Treffen vorwärts.

Schon über eine Woche wird in Baku, der Hauptstadt Aserbaidschans an der Küste des Kaspischen Meers, verhandelt. Bundesrat Albert Rösti ist am Donnerstag und Freitag selbst vor Ort. Das Land hat seinen Reichtum mit Erdöl erwirtschaftet, von dem der aserbaidschanische Präsident Ilham Aliyev zu Beginn der Konferenz gesagt hatte, es sei «ein Geschenk Gottes». Ausserdem sitzen in Baku 1700 Lobbyisten der Erdölwirtschaft mit am Tisch.

Was soll diese Massenveranstaltung also? Wir haben einen gefragt, der weiss, wie es an diesen UNO-Konferenzen, welche die Welt zum Besseren verändern sollen, zu und her geht. Und der, weil er nun zurückgetreten ist, auch offen sprechen kann: Thomas Kolly. Er war 35 Jahre Diplomat für die Eidgenossenschaft, war Botschafter in Kosovo, Pakistan, Afghanistan, Spanien und Guatemala. Vor allem aber leitete er an fünf UNO-Klimakonferenzen 2005 bis 2009 die Schweizer Verhandlungsdelegation.

Nicht alle werden zu weiteren Verhandlungen eingeladen

Kolly sagt, dass es unmöglich sei, mit knapp 200 Ländern an einen Tisch zu sitzen, um zu verhandeln. «In der ersten Woche laufen die Verhandlungen jeweils noch recht strukturiert, aber je länger die Verhandlung dauert, desto kleiner wird die Gruppe, die das Sagen hat. Am Ende sind es nur noch rund zehn Länder.»

Wer wen wo trifft, erfahren die Verhandlungsgruppen nur, wenn sie gut informiert sind. Die Schweiz hat als kleines Land nur eine Chance, wenn sie rund um die Uhr präsent ist und mit originellen Ideen konstruktiv als Brückenbauerin teilnimmt. «Die Schweiz hat einen guten Ruf als glaubwürdiger Gesprächspartner und ist deshalb gut akzeptiert», sagt Kolly. Sie schaffte es bisher immer, Teil dieser Kerngruppe zu sein.

Schweiz fällt im Klimaschutz-Ranking zurück

Wer tut wie viel für den Klimaschutz? Dies beurteilt derClimate Change Performance Indexjedes Jahr, erstellt von German Watch, dem New Climate Institute und dem Climate Action Network. Die Schweiz ist dieses Jahr um ganze 12 Plätze auf den 33. Platz zurück gefallen. Dies, weil Bundesrat und Parlament keine weitreichenderen Massnahmen beschlossen haben, damit der CO2-Ausstoss im Land bis 2030 schon erheblich reduziert werden kann. Greenpeace kritisierte gestern, dass der Bundesrat verschiedene vom Volk legitimierte Möglichkeiten hätte, um in Sachen Klimaschutz nachzubessern. Er nutze diese jedoch nicht. Im Klimapolitikrating liegt die Schweiz daher auf Rang 48. Auch bei der Nutzung erneuerbarer Energien hat die Schweiz keine Vorbildfunktion: Platz 29 in der Kategorie «tief». (kus)

Allerdings ist die aktuelle weltpolitische Lage gerade besonders desillusionierend mit einem amerikanischen Präsidenten in den Startlöchern, der die Klimaerwärmung nicht als Problem ansieht. Kolly bestätigt: «Es spielt eine grosse Rolle, wer in den USA an der Spitze steht, je nachdem verhält sich die US-Delegation viel konstruktiver.» Andererseits gilt hier, was auch für die Sicherheitspolitik gilt: Europa kann sich nicht mehr hinter den USA verstecken und muss aktiver werden.

Bloss, eben: Was bringt es am Ende? Die Beschlüsse der Klimakonferenzen sind seit je nur locker formulierte Verpflichtungen. Am Ende entscheidet jedes Land selbst, mit welchen Massnahmen es den CO2-Ausstoss verringern will, und diese sind durchs Band ungenügend. Das hat für die Länder keine Konsequenzen, denn es gibt bekanntlich keine globale Klima-Polizei, welche die Umsetzung der Beschlüsse überprüft. Eine solche würde von den Ländern kaum akzeptiert, sagt Kolly, auch die Schweiz reagiere ja oft allergisch auf Einmischung von aussen.

Die Transparenz hat zugenommen

Teilnehmende der Klimakonferenz, die vor zehn, fünfzehn Jahren dabei waren und erneut teilnahmen, sagen daher desillusioniert: «Die reden ja immer noch über dasselbe.» Das stimme schon, sagt Kolly, aber die Welt ändere sich auch nicht so schnell und das Klimaproblem sei besonders schwierig zu lösen, weil sich das ausgestossene CO2global verteile und nicht nur vor Ort zu Problemen führe. «Da sind wir alle extrem egoistisch unterwegs», sagt Kolly.

Warum Kolly nach all den Jahren dennoch noch überzeugt ist, dass es die Klimakonferenzen braucht, erklärt er so: Hier wird Transparenz geschaffen. Die Länder melden die Menge an ausgestossenem CO2der UNO. Ob das auch stimmt, kann zumindest grob mit Handelsstatistiken für Kohle, Erdöl und Gas überprüft werden. Methan-Emissionen aus Flaring von Ölraffinerien können auch via Satelliten festgestellt werden. Und die globalen CO2-Messnetzwerke lassen zumindest teilweise Rückschlüsse auf den CO2-Ausstoss der Kontinente zu. Mehr Transparenz gibts auch an der Konferenz selbst: Die genaue Zahl der Erdöl-Lobbyisten ist bekannt, weil die Teilnehmenden seit der letzten Konferenz in Dubai verpflichtet sind, offenzulegen, wen sie vertreten.

Die gegenseitige Kontrolle verhindert, dass jeder macht, was er will. «So entsteht Gruppendruck», sagt Kolly. Und schliesslich auch einer der wichtigsten Effekte der Klimakonferenzen: Druck durch die öffentliche Meinung. Diese ist selbst einer totalitären Regierung wie China nicht komplett egal. Jedenfalls, wenn die Auswirkungen vor Ort offensichtlich sind: In den Grossstädten Peking und Schanghai mussten Massnahmen zur Verbesserung der Luftqualität eingeführt werden, die Regierung investiert nun in erneuerbare Energien.

Der Druck kommt also auch von der Realität. Am stärksten ist er dort, wo der Klimawandel jetzt schon zu Ernteausfällen führt wie in Brasilien, Nigeria oder Indien. «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis besonders vonseiten der Schwellen- und Entwicklungsländer, die jetzt schon stärker unter Dürren leiden, noch mehr Druck kommt», sagt Kolly. Manche dieser Länder seien politische Schwergewichte wie Indien, deren Proteste nicht ungehört verhallen.