«Corona hat uns überrollt»: So erlebten Yvonne Hummel und Lukas Korner die Pandemie
Eigentlich hätte das Gespräch mit Yvonne Hummel und Lukas Korner schon vor einem Jahr stattfinden sollen – doch die heftige Coronawelle im Herbst 2020 machte den Auftritt der Kantonsärztin und des Apothekerpräsidenten bei der traditionsreichen Gesprächsreihe in Oberentfelden unmöglich.
Auch heute sind die Infektionszahlen im Aargau hoch, doch inzwischen gibt es eine Impfung und ein Zertifikat – und so war der Anlass mit dem Titel «Gäste im Gespräch» am Sonntagmorgen im Gemeindehaus möglich. Moderator Markus Kirchhofer leitete die gut einstündige Diskussion und kündigte gleich zu Beginn an, dass es sich nicht um eine kontroverse Debatte der Coronamassnahmen oder ein Podium zum Covid-Gesetz handle.
Vielmehr erzählten Yvonne Hummel, die ihr Amt als Aargauer Kantonsärztin nur wenige Woche vor dem Ausbruch der Pandemie angetreten hatte, und Lukas Korner, der gerade in den Ferien war, als der Bundesrat den Lockdown verkündete, von ihren beruflichen und persönlichen Erfahrungen während der Coronapandemie.
Yvonne Hummel bekennt: «Corona hat uns überrollt»
Kantonsärztin Hummel, die diesen Posten im Aargau inzwischen aufgegeben hat und am 1. Dezember dasselbe Amt im Kanton Solothurn übernimmt, bekannte freimütig:
«Corona hat uns überrollt.»
Die erste Welle der Pandemie mit den stark ansteigenden Infektionszahlen, dem noch bescheidenen Wissen über das Virus und der Aufgabe, jeden Tag neue Prioritäten zu setzen, sei eine Notfallsituation gewesen.
«Es gab ein grosses Informationsbedürfnis der Menschen, dabei wussten auch ich als Ärztin und andere Wissenschaftler noch wenig über das Coronavirus, das hat es schwierig gemacht», sagte sie. Zudem sei eine Kantonsverwaltung nicht auf solche Situationen eingerichtet, daher sei sie im Rückblick sehr dankbar über die Unterstützung durch die Verantwortlichen von Zivilschutz und Führungsstab.WERBUNG
Dies gelte auch für das Contact Tracing, sagte Hummel, wobei die Nachverfolgung von Infektionsketten und die Identifikation von Kontaktpersonen auch bei anderen Krankheiten zu den Aufgaben des Kantonsärztlichen Dienstes zählten. «Aber bei Masern oder Tuberkulose sind es nur wenige Fälle, das geht mit einem Bleistift und einer Excel-Tabelle. Bei Corona mussten Hunderte von Personen kontaktiert werden, da war innert kurzer Zeit ein IT-System nötig», sagte Hummel.
Lukas Korner: «1,5 Tonnen Desinfektionsmittel produziert»
Lukas Korner, der in Gränichen eine Apotheke führt und den kantonalen Apothekerverband präsidiert, erinnert sich an Kunden, die im Frühling 2020 Hamsterkäufe tätigen wollten.
«Leute wollten den zehnfachen Vorrat ihrer Diabetes-Spritzen oder anderer Medikamente, weil sie Angst hatten, dass diese ausgehen könnten.»
Zudem sei viel Beratung gefragt gewesen, «doch Corona ist ein Chamäleon, das sich rasch anpasst, das macht es schwierig». In rauen Mengen verkauft und produziert wurde damals Desinfektionsmittel: 1,5 Tonnen stellten Korner und sein Personal im März 2020 in kurzer Zeit her.
Am meisten zu denken gibt Korner, dass die Impfquote auf einem tiefen Niveau verharrt. «Heute sind wir froh, wenn wir überhaupt noch ein paar Spritzen setzen können.» Er habe erst gedacht, dass der Anteil der kategorischen Impfgegner nicht so hoch sei, inzwischen müsse er seine Meinung revidieren.
Mit Blick auf die am Montag beginnende Impfwoche hielt Hummel fest, für sie sei klar, dass die fünfte Infektionswelle komme. «Die Frage ist nur, wie hoch sie wird, wie lange sie dauert und wie viele Menschen ins Spital eingeliefert werden und Intensivpflege brauchen.»
Sie verstehe, dass es Leute gebe, die Angst vor der Impfung hätten, doch die Behörden dürften nicht resignieren. «Es ist richtig, dass Bund und Kantone einen Effort leisten, denn das Risiko einer schweren Erkrankung ist um ein Vielfaches höher als das von schweren Nebenwirkungen.»