Kommissionen kritisieren Bundesrat scharf und fordern Verbesserungen
Die Geschäftsprüfungskommissionen der beiden Räte (GPK) haben sich mit der Krisenorganisation befasst, die der Bundesrat zur Bewältigung der Coronapandemie einsetzte. Konkret ging es um die Tätigkeiten und Koordination der Covid-19-Taskforce des Bundesamts für Gesundheit (BAG), des Bundesstabs Bevölkerungsschutz (BSTB) und des Krisenstabs des Bundesrats Corona (KSBC). Sie alle hatten die Aufgabe, den Bundesrat zu unterstützten.
Am Dienstag präsentierten die GPK die Ergebnisse ihrer Untersuchung. Sie konzentrierten sich dabei auf die erste Phase der Pandemie – also von Anfang Januar bis Juni 2020. Vieles sei zwar nachvollziehbar, die Kommissionen sparen in ihrem 133-seitigen Bericht dennoch nicht mit Kritik und ziehen eine «gemischte Bilanz».
Ausserdem haben sie elf Empfehlungen ausgearbeitet. Zu diesen wie auch zum Bericht soll der Bundesrat bis Ende September Stellung beziehen, wie Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo (SP/LU) vor den Medien sagte. Für die GPK geht es darum, aus dem Geschehenen zu lernen.
Schweiz war schlecht vorbereitet
Positiv heben die GPK im Bericht hervor, dass die Schweiz mit dieser Krisenorganisation im internationalen Vergleich die erste Pandemiewelle «insgesamt recht zufriedenstellend» bewältigen konnte. Auch gibt es Lob für die Mitglieder und Mitarbeitenden der verschiedenen Organisationen. «Und den Kommissionen sei auch bewusst, dass die Behörden rasch reagieren mussten in Zeiten grosser Unsicherheit», sagte Ständerat Matthias Michel (FDP/ZG). Gerade zu Beginn der Pandemie sei es sehr schwierig gewesen, deren Tragweite und Dauer einzuschätzen.
Gleichzeitig betonen die GPK, dass die Behörden in vielerlei Hinsicht «unvorbereitet» von der Pandemie getroffen wurden. Einige organisatorische Entscheide wurden «zu spät oder zu wenig koordiniert» gefällt. Zudem seien die Krisenorganisationen teilweise von den vorgesehenen Strukturen abgewichen – auch weil diese nicht klar waren. Die bisherigen Krisenübungen nützten gemäss GPK ebenfalls nichts, um auf Corona vorbereitet zu sein.
Bundesrat war zu passiv
Kritik muss dabei vor allem der Bundesrat einstecken. Dieser habe sich in der ersten Welle nicht aktiv genug in den Aufbau der Krisenorganisation eingebracht. Vielmehr wurde diese «weitestgehend» von den Departementen festgelegt. Und da der Bundesrat nicht frühzeitig «grundsätzliche Überlegungen» über die jeweiligen Aufgaben und Zuständigkeiten der verschiedenen Krisenorgane anstellte, entstand die Krisenorganisation parallel zur Entwicklung der Gesundheitslage.
Entsprechend hart fällt das Urteil im Bericht aus: «Die GPK erachten die Rollenteilung und Zusammenarbeit zwischen der BAG-Taskforce, dem BSTB und dem KSBC in der Krisenorganisation des Bundes in mehrfacher Hinsicht als unbefriedigend.»
Probleme mit der Rollenteilung
So erfüllten der Bundesstab Bevölkerungsschutz und der Corona-Krisenstab des Bundesrats die ihnen zugedachten Funktionen «nicht vollständig» und spielten eine eher untergeordnete Rolle. Die BAG-Taskforce dagegen wurde rasch zum zentralen Organ bei der Führung des Krisenmanagements – etwas, das so nicht vorgesehen war.
Das Hauptproblem besteht nach Ansicht der GPK darin, «dass diese drei Organe zeitlich versetzt und nicht koordiniert aktiviert wurden». Die GPK fragen sich auch, ob es sinnvoll war, dass alle drei nur einem Departement unterstellt waren – dem Innendepartement.
Weiter werfen die Kommissionen dem Bundesrat vor, nicht früh genug erkannt zu haben, dass es sich bei der Coronapandemie «um eine bereichsübergreifende Krise globalen Ausmasses» handelte. Er habe deren mögliche Dauer unterschätzt. Entsprechend wurden die Massnahmen in den einzelnen Departementen des Bundes mehrere Wochen lang «unkoordiniert eingeleitet und erarbeitet». Auch hätten die Krisenorganisationen nicht alle thematischen Dimensionen abgedeckt.
Bundesratsausschuss für künftige Krisen prüfen
Die Geschäftsprüfungskommissionen erwarten vom Bundesrat, dass er künftig eine aktivere Rolle einnimmt. Er soll sicherstellen, dass grundsätzliche Überlegungen über die Krisenorganisation frühzeitig angestellt werden. «Auch soll er sich überlegen, wie beim Krisenmanagement künftig ein angemessenes Verhältnis zwischen dem Departementalprinzip und dem bereichsübergreifenden Ansatz gefunden werden kann», sagte Michel. Und er soll prüfen, ob es in Krisen einen Bundesratsausschuss braucht.
Da die GPK den Einbezug der Kantone als «unbefriedigend und wenig systematisch» beurteilen, begrüssen sie die vom Bundesrat eingeleiteten Verbesserungsmassnahmen. Allerdings soll die Landesregierung die Schnittstellen zwischen Krisenorganisation, Wissenschaft und Wirtschaft sowie den Einbezug der Zivilgesellschaft präzisieren.
Mittels Vorstoss fordern die Kommissionen den Bundesrat zudem auf, so rasch wie möglich eine kritische Gesamtbilanz seiner Krisenorganisation zu ziehen – und dabei die im Bericht aufgeworfenen Grundsatzfragen zu berücksichtigen. Ausserdem soll die Landesregierung ein Konzept für künftige Krisenorganisationen erstellen und prüfen, welche Rechtsgrundlagen, Vorgaben, Weisungen, Pläne und Konzepte geändert werden müssen.
Arbeit der Behörden und Politik wird genau untersucht
Die Coronapandemie prägte die vergangenen gut zwei Jahre. Sie sorgte für Leid, veränderte Strukturen, spaltete die Gesellschaft und riss ein tiefes Loch in die Bundeskasse. Gleichzeitig wird im kommenden Herbst und Winter eine neue Welle von Coronainfektionen befürchtet. Daher untersuchen viele Berichte derzeit die Arbeit der Behörden und der Politik während der Pandemie.
So erklärten etwa die Kantone erst Anfang Mai, welche Punkte sie beim Pandemie-Management verbessern wollen. Der Bundesrat wiederum reagierte vergangene Woche auf einen weiteren Bericht der GPK, in dem es unter anderem um die Maskenbeschaffung ging.