Studentin ohne Covid-Zertifikat aus Vorlesungssaal weggewiesen: Das war rechtswidrig
Während der Coronawelle im letzten Herbst führte die Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) strenge Covid-Regeln ein. Ab dem 18. Oktober 2021 galt an allen Standorten der FHNW eine strikte Zertifikatspflicht. Zuvor war das Zertifikat nur für den Zutritt zu Mensen, Bibliotheken und Weiterbildungsveranstaltungen mit mehr als 30 Personen notwendig. Von jenem Montag an war der Nachweis, dass man geimpft, genesen oder getestet ist, Voraussetzung für den Zugang zu allen Räumlichkeiten der Fachhochschule.
Die grosse Mehrheit der Studierenden an der FHNW unterstütze die Zertifikatspflicht, sagte Sprecher Dominik Lehmann damals. Doch es gab auch Widerstand: Ein knapp 40-jähriger Institutsleiter nahm bereits die Ankündigung zum Anlass, seine Stelle zu kündigen und in die Privatwirtschaft zu wechseln. Studierende kritisierten das Zertifikat in einem Brief und sammelten rund 380 Unterschriften, um sich gegen die Verschärfung der Schutzmassnahmen zu wehren.
Schliesslich ergriffen Massnahmengegner auch juristische Schritte: Eine Dozentin und eine Studentin reichten Beschwerden gegen das Schutzkonzept ein. Rechtsanwältin Silja Meyer vertrat die beiden Beschwerdeführerinnen, die eine Aufhebung der Zertifikatspflicht forderten. Meyer argumentierte, durch die Eingabe ergebe sich eine aufschiebende Wirkung und die Zertifikatspflicht sei temporär ausser Kraft. Die FHNW-Leitung hielt jedoch an der Regel fest und teilte mit, das Schutzkonzept mit der Zertifikatspflicht bleibe in Kraft.
Studentin ohne Zertifikat in Muttenz BL vom Campus weggewiesen
Dieselbe Studentin, die am 26. Oktober 2021 die Beschwerde gegen die Zertifikatspflicht eingereicht hatte, wurde am 29. Oktober in Muttenz BL vom Campus der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW) weggewiesen. Ein Dozent schickte sie aus einem Veranstaltungsraum, weil sie weder ein Zertifikat noch einen negativen Test vorweisen konnte. Das akzeptierte die betroffene Studentin nicht, sie reichte am 4. November auch gegen diese Wegweisung eine Beschwerde ein.
Am darauf folgenden Tag fällte die Beschwerdekommission der FHNW einen Grundsatzentscheid. Präsidentin Caroline Meyer Honegger sagte damals gegenüber der AZ, die Kommission habe am 5. November der Beschwerde gegen die Zertifikatspflicht die aufschiebende Wirkung entzogen. Rechtsanwältin Meyer kritisierte dies und sagte, aus ihrer Sicht sei dieser Entscheid nicht haltbar.
Beschwerde von weggewiesener Studentin gutgeheissen
Inzwischen hat die Kommission die Beschwerde der Studentin gegen die Wegweisung behandelt – und gutgeheissen, wie aus dem Entscheid hervorgeht, welcher der AZ vorliegt. Die Kommission hält fest, dass die Wegweisung der jungen Frau aus den Räumlichkeiten des FHNW-Campus in Muttenz am 29. Oktober 2021 nicht rechtmässig gewesen sei. Grund dafür ist ihre Beschwerde gegen die Zertifikatspflicht, die sie drei Tage zuvor eingereicht hatte.
Diese Beschwerde hatte aufschiebende Wirkung – die Bestimmung der FHNW, dass der Zutritt nur mit Zertifikat oder negativem Test erlaubt war, galt für die betroffene Studentin demnach nicht. Zwar entzog die Kommissionspräsidentin der Beschwerde gegen die Zertifikatspflicht am 5. November die aufschiebende Wirkung, dies galt aber nicht rückwirkend.
Rechtsanwältin: FHNW kontrollierte zehn Tage rechtswidrig Zertifikate
Die Kommission hält fest, die Studentin hätte der Zertifikatspflicht zwischen dem 26. Oktober und 5. November keine Folge leisten müssen. Zugleich wäre die Fachhochschule in jener Zeit nicht berechtigt gewesen, die junge Frau wegen Nichtbeachtung der Zertifikats- bzw. Testpflicht aus den Innenräumen des Campus Muttenz wegzuweisen.
Rechtsanwältin Silja Meyer, die Vertreterin der Studentin, sagt dazu:
«Die Beschwerde gegen die Wegweisung wurde gutgeheissen und es wurde festgestellt, dass die Wegweisung der Studentin ohne Zertifikat rechtswidrig war. Im Klartext bedeutet dies, dass die FHNW rund 10 Tage rechtswidrig Zertifikatskontrollen durchgeführt hat.»
Die Kommission schreibt, die Wegweisung könne nicht mehr rückgängig gemacht werden. Sie hält in ihrem Entscheid aber explizit fest, dass diese rechtswidrig gewesen sei. Zudem spricht sie der weggewiesenen Studentin eine Parteientschädigung von 1750 Franken zu.