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Künftige Massnahmen: Kantone sehen Verantwortung beim Bund

Der Bund und die Kantone sind sich nicht einig, wer bei einer nächsten Coronawelle die Zügel in der Hand halten soll. Stattdessen spielen sie sich gegenseitig den «Schwarzen Peter» zu.

Für den Bundesrat ist klar: Mit dem Wechsel zurück in die normale Lage liegt die Hauptverantwortung für die Bekämpfung des Coronavirus wieder in den Händen der Kantone. Er hat daher ein Grundlagenpapier erarbeitet, in dem die Ziele und die Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kantonen in der Übergangsphase bis zum Frühling 2023 definiert werden. Er will so sicherstellen, dass die Schweiz auf eine nächste Pandemiewelle vorbereitet ist, die bereits im Herbst wieder über das Land rollen könnte.

Gemäss Epidemiengesetz seien die Kantone dafür zuständig, Massnahmen anzuordnen und untereinander zu koordinieren, betont der Bundesrat. Die Kantone hätten in den letzten zwei Jahren Kapazitäten und Fähigkeiten aufgebaut, um auf die Entwicklungen der Covid-19-Epidemie «in geeigneter und koordinierter Form zu reagieren». Er erwartet deshalb, dass sie eine Gefährdung der öffentlichen Gesundheit verhindern und auch viele der möglichen epidemischen Entwicklungen selbst bewältigen können.

Eine Rückkehr in die «besondere Lage» kann er sich nur bei einer besonders heftigen Pandemiewelle vorstellen. Dabei müsste etwa das Gesundheitssystem im Vergleich zu den bisherigen Wellen höher belastet sein, ohne dass die kantonalen Massnahmen Wirkung zeigen. In diesem Fall könne man wieder «den Verhältnissen angepasste nationalen Massnahmen» erwägen.

Kantone wollen unpopuläre Massnahmen nicht selbst anordnen

Die Kantone, die sich in der Vernehmlassung bis heute Freitag zum Papier äussern konnten, sehen das freilich anders. Das zeigt ein Blick in die Stellungnahmen. Die Kantonsregierungen wollen bei der Bevölkerung unpopuläre Massnahmen wie die Maskentragpflicht, Schulschliessungen oder das Verbot von Veranstaltungen nicht selbst ausrufen. Vielmehr soll der Bund früher eingreifen.

Die Ostschweizer Kantone etwa fordern weniger strenge Vorgaben für eine Rückkehr in die «besondere Lage», wie sie gemeinsam mitteilten. Auch solle der Bund weiterhin national gültige Massnahmen erlassen wie eine Maskentragpflicht, der Einsatz des Covid-19-Zertifikats im Inland, die Quarantäne und die Isolation. In einer sehr angespannten Situation sei es «stufengerecht und effizient», wenn der Bund unter Einbezug der Kantone solche Massnahmen treffe.

Kantonale Massnahmen «nicht zweckmässig»

Auch Zürich fordert, dass die Zuständigkeit im Bereich der nichtpharmazeutischen Massnahmen – also etwa der Maskenpflicht im ÖV – früher wieder beim Bund liegen. «Ein kantonal unterschiedliches Vorgehen verunmöglicht einen zielgerichteten Vollzug auf kantonaler Ebene und ist für die Bevölkerung nicht nachvollziehbar», betont der Regierungsrat.

Der Kanton Aargau erachtet ausschliesslich kantonsspezifische Massnahmen ebenfalls als nicht zweckmässig. «Die Erfahrungen der Jahre 2020 und 2021 zeigen, dass einer epidemiologisch schweizweit ähnlichen Entwicklung mit national einheitlichen Massnahmen entgegenzutreten ist», teilte der Regierungsrat mit.

Solothurn beurteilt die zurückhaltende Rolle des Bundes auch kritisch – genau wie Luzern: Bei einer epidemischen Welle, bei der die verschiedenen Landesteile ähnlich betroffen sind, sollte dem Bund wieder eine aktivere Rolle zukommen, findet die Luzerner Regierung.

Damit geht der Knatsch zwischen Bund und Kantone weiter: Sie sind sich eigentlich seit Beginn der Pandemie selten einig. Einerseits griff der Bund nach Ansicht vieler Kantone teilweise zu stark ein, hielt zu lange an den Massnahmen fest und trat ihnen ins «Autonomie-Gärtchen». Drohte die Situation zu eskalieren, waren andererseits die Rufe nach Bundeshilfe immer rasch und laut zu hören.