Keine Maske getragen: Wie aus einer 100-Franken-Busse eine 3000-Franken-Gebühr wurde
Aus dem Ruder gelaufen ist ein eigentlich kleines Vorkommnis im Frühling 2021. Damals, noch mitten in der Pandemie, durfte man nur mit Maske in Ladengeschäfte. Wer sich nicht daran hielt, musste mit einer Strafe rechnen. Eine solche Ordnungsbusse wegen Verletzung der Maskenpflicht, 100 Franken, hatte auch ein Mann kassiert, der im März 2021 schutzmaskenlos einen Aargauer Laden betrat.
Schon tags darauf schickte der Mann die Busse zurück an die Polizei, woraufhin er verzeigt wurde. Erst «anlässlich der polizeilichen Anzeigeeröffnung» drei Wochen später, so lässt es sich Gerichtsdokumenten entnehmen, legte der Mann die Kopie eines ärztlichen Attests vor, das ihn «aus medizinischen Gründen von der Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung befreit».
Der Name und die Adresse des ausstellenden Arztes waren auf dem Attest jedoch abgedeckt. Und der Mann weigerte sich gemäss den späteren Gerichtsurteilen, eine ungeschwärzte Version vorzulegen.
Der Polizei gelang es schliesslich, zu ermitteln, um welchen Arzt es sich handelte. Und als die Oberstaatsanwaltschaft mittels Verfügung intervenierte, gab die Praxis eine ungeschwärzte Kopie des Attests heraus. Daraufhin stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren zwar ein. Dem Mann wurden jedoch die Kosten dafür aufgebrummt: 200 Franken. Dies, weil er nicht sofort ein (ungeschwärztes) ärztliches Attest vorgelegt hatte.
Die Strafprozessordnung macht’s möglich: Wenn eine Person «rechtswidrig und schuldhaft die Einleitung des Verfahrens bewirkt oder dessen Durchführung erschwert hat», kann sie zur Kasse gebeten werden, selbst wenn sich der eigentliche Vorwurf in Luft auflöst.
Er sagt, er habe das Zeugnis gezeigt – Polizei widerspricht
Wenig überraschend wehrte sich der Mann dagegen. Er wurde vertreten von einer Zürcher Anwältin, die auch in diversen anderen Rechtsstreitigkeiten von Menschen involviert ist, die keine Masken getragen haben.
Beim Obergericht lief der Mann jedoch auf. Es wies seine Beschwerde ab – und auferlegte ihm die zusätzlichen Verfahrenskosten von 850 Franken. Woraufhin der Mann ans Bundesgericht gelangte, wo er nicht nur beantragte, er sei von den Kosten zu befreien, sondern auch, dass ihm eine «angemessene Entschädigung» für das bisherige Verfahren gezahlt werde – oder aber, dass man die Kosten auf die Staatskasse nehme.
Der Mann machte vor Bundesgericht geltend, er habe das geschwärzte Attest bereits am 17. März 2021 vor Ort der Ladenmitarbeiterin und der Polizei gezeigt. Der Polizeirapport, die Busse sowie das Einvernahmeprotokoll seien «fehlerhaft, unvollständig und sachverhaltswidrig».
Polizei hat das Recht, ärztliche Atteste einzusehen
Das Obergericht hatte dies bereits nicht geglaubt und unter anderem auf den Polizeirapport der Kapo Aargau verwiesen, wonach der Mann das Vorweisen seines Attests verweigert habe, weil die Polizei nicht das Recht habe, ein solches Dokument einzusehen. Auch in seiner späteren Einsprache habe er diese Haltung nochmals ausgeführt.
In seiner Eingabe ans Gericht schrieb er zudem, es fehle an einer gesetzlichen Grundlage dafür, dass «die Kantonspolizisten des Kantons Aargau» seine «höchstpersönlichen Daten» – also das Attest – einsehen und bearbeiten dürften.
Das Obergericht hielt dagegen, der Vollzug von polizeirechtlichen Vorschriften sei «geradezu eine Kernaufgabe» der Polizei, und sie habe die Kompetenz, ärztliche Atteste einzusehen – ansonsten wäre sie gar nicht in der Lage, Ermittlungen zu Widerhandlungen gegen die Covidverordnung zu führen.
Das Bundesgericht gab den Vorinstanzen recht. Und: Sie brummte dem Mann wiederum die Gerichtskosten auf. Dieses Mal 3000 Franken.