Heute wird der PUK-Bericht veröffentlicht: Finma, Nationalbank, Ueli Maurer – wer was zu befürchten hat
«Aggressiv» sei der Ton gewesen, gewisse Fragen «einfach lächerlich». So erzählen es Befragte gegenüber der «Schweiz am Wochenende». Wen die Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK) aufgeboten hat, wer dann tatsächlich kam und worüber geredet wurde: Das ist alles vertraulich. Die Vorgeladenen sprachen mit dieser Redaktion nur unter der Bedingung der Verschwiegenheit. Wer noch im Amt ist, könnte bei Indiskretionen seinen Job verlieren.
Die Mitglieder der PUK (siehe Box) und die Bundesbehörden würden sich strafbar machen, wenn sie plauderten.Ein erstes Strafverfahren ist bereits am Laufen, nachdem angeblich PUK-Informationen zur Rolle von Ex-Finanzminister Ueli Maurer durchgesickert waren. Das hat gewirkt, es kam seither zu keinen nennenswerten Leaks.
Aus vertraulichen Gesprächen ergibt sich dennoch ein Bild – und man erfährt die eine oder andere atmosphärische Anekdote, etwa zur Befragung eines früheren CS-Verantwortlichen. Sein Verhalten muss irritierend gewesen sein: «Der hat noch immer nicht begriffen, dass es seine Bank nicht mehr gibt und er eine Mitverantwortung dafür trägt.»
Es wurden zwar auch Vertreter von CS und UBS befragt, Gegenstand der Untersuchung sind aber die Bundesbehörden. Wer hat sich wie verhalten, als ruchbar wurde, dass die Credit Suisse in einem einzigen Monat – im Oktober 2022 – einen historisch einmaligen Geldabfluss von 90 Milliarden Franken erlitt, dies bei einer Bilanzsumme von 600 Milliarden? Und wie handelten die Behörden davor, seit dem Jahr 2015, als Kennern klar wurde, dass die Credit Suisse in eine existenzielle Krise rutschen würde? Im Zentrum des Interesses stehen nachfolgende Personen.
Ueli Maurer, Finanzminister von 2015 bis Ende 2022
Wie die PUK über den damaligen SVP-Bundesrat urteilt, wird dessen Vermächtnis prägen. Schon kurz nach dem geschichtsträchtigen 19. März 2023, als die Credit Suisse beerdigt beziehungsweise der UBS einverleibt wurde, verbreitete sich die Erzählung: Ueli Maurer habe im Herbst 2022, als sich die CS-Krise zuspitzte, den Ernst der Lage nicht begriffen. Erst Karin Keller-Sutter (FDP), die Anfang 2023 im Finanzministerium antrat, habe entschlossen gehandelt. Diese Erzählung wurde später mit angeblichen Indiskretionen unterlegt. Demnach traf sich Maurer zwar im Geheimen mit Nationalbank-Präsident Thomas Jordan und CS-Präsident Axel Lehmann, er liess seine Bundesratskollegen aber bis auf ein einziges Mal am 2. November völlig im Unklaren über das Ausmass der CS-Misere. Was dazu geführt haben könnte, dass eine damals allenfalls noch mögliche Rettung verschlafen wurde.
Maurers angebliches Nichthandeln mochte auch ideologische Gründe gehabt haben: Der Gedanke, dass der Steuerzahler für Konzerne in die Bresche springen soll, die sich selbst an die Wand fahren, ist ihm zuwider. Zudem wird ihm eine ebenso starke Ablehnung gegenüber strengen Regulierungen nachgesagt. So hätte die CS ab 2019 eigentlich deutlich höhere Eigenkapitalanforderungen erfüllen müssen – doch mit einem Kniff wurde ihr das erlassen, gemäss NZZ auf Druck von Maurers Finanzdepartement.
Die Wahrscheinlichkeit, dass die PUK Maurer, der zweimal befragt wurde, als einen der Hauptschuldigen am CS-Debakel präsentieren wird, ist hoch. Aber es finden sich in Bundesbern auch Verteidiger für den Altbundesrat: Es sei damals darum gegangen, eine weltweite Bankenkrise zu verhindern. «Die Schweiz war daher nicht völlig frei in ihren Entscheidungen». Und den Bundesrat habe Maurer gar nicht umfassend informieren können – das Risiko eines Lecks sei zu gross gewesen.
Karin-Keller Sutter, Finanzministerin seit Anfang 2023
Sie gilt als die strahlende Heldin: Karin Keller-Sutter wird reihum ein resolutes und überlegtes Vorgehen beim CS-Debakel bescheinigt. Erst als sie Anfang 2023 die Geschäfte im Finanzdepartement übernommen habe, sei die Causa Credit Suisse ernsthaft angegangen worden. Keller-Sutter habe CS-Präsident Axel Lehmann in ihr Büro zitiert, Kontakt zur UBS aufgenommen und so den Bankenplatz Schweiz gerettet.
Doch mit einer solchen Fallhöhe kann man fast nur verlieren. Zumal auch Keller-Sutters Entscheidungen Fragen aufwerfen. Ihr Vorgehen führte letztlich dazu, dass die Schweiz nun eine gigantische Bank hat, die nur noch vom Staat gerettet werden könnte. Dieses Klumpenrisiko soll nun aufwendig reguliert werden, was politisch nicht ganz einfach werden dürfte.
Marlene Amstad, Präsidentin der Finanzmarktaufsicht seit 2021
Einige Banker können sich das süffisante Lächeln nicht verkneifen, wenn sie auf den PUK-Bericht zu sprechen kommen. Denn sie sind überzeugt: Dieser wird die Schuld am CS-Debakel der Finanzmarktaufsicht (Finma) und namentlich deren Präsidentin Marlene Amstad zuschieben. Die Hauptvorwürfe: Die Finma habe zu wenig hart und zu spät eingegriffen. Die Amstad-kritische NZZ mutmasst gar, dass das Schicksal der Finma-Präsidentin vom PUK-Bericht abhängt.
Der Ruf der Finma war schon besser. Tatenlos zugesehen hat sie indes nicht.Seit 2012 hat sie insgesamt 43 Vorabklärungen für allfällige Enforcementverfahren gegen die Credit Suisse getätigt, neun Rügen erteilt, sechzehn Strafanzeigen erstattet und elf Enforcementverfahren gegen die Bank sowie drei weitere gegen natürliche Personen eröffnet.Das Problem: Die Credit Suisse und ihre Chefs zeigten sich darob wenig beeindruckt – und hielten die Aufsichtsbehörde mit juristischen Spitzfindigkeiten auf Trab. «Die CS hat die Finanzmarktaufsicht regelrecht vorgeführt», sagt ein Insider. Letztlich haben die Richter der Finma zwar immer wieder recht gegeben, aber der Fall CS zeigt die Limiten der Finma-Gesetzgebung auf, wenn eine Bank nicht kooperieren will.
Die Credit Suisse sei nicht ordnungsgemäss reguliert worden, heisst es jetzt. Die Finma, so das Fazit eines Spitzenbankers, benötige ein «Update». Sie brauche mehr Leute – und bessere Leute. Und, so der allgemeine Tenor, die Finma soll zusätzliche Werkzeuge erhalten, wie sie auch die Aufsichtsbehörden anderer wichtiger Finanzplätze haben.
In UBS-Kreisen, wo man jetzt intime Einblicke in das Versagen der CS-Chefs hat, wundert man sich: Wieso hat die Finma das Spitzenpersonal bei der Credit Suisse nicht zum Rücktritt gedrängt? Warum verhinderte sie nicht die Mandatsverlängerung von Langzeitpräsident Urs Rohner, in dessen Amtszeit etliche Krisen und Milliardenbussen fielen? Weshalb griff sie nicht ein, bevor der Nicht-Banker Tidjane Thiam zum CEO erkoren wurde, also zum Chef eines Finanzinstituts mit riskantem Investmentbanking? Die Finma hätte mit dem Entzug oder der Nichterteilung der «Gewähr», einer Art polizeirechtlicher Bewilligung für den Bankerjob, drohen können.
Wie auch immer, die Verantwortung dafür liegt nicht bei Amstad. Denn als Thiam 2015 als CS-CEO inthronisiert wurde und sich Rohner durch den US-Steuerstreit kämpfte, war sie noch nicht im Amt. Das fällt in die Zeit ihrer Vorgänger im Präsidium, Anne Héritier Lachat und Thomas Bauer, und in die Ära des Finma-Direktors Mark Branson.
Thomas Jordan, Präsident Nationalbank 2012 bis 2024
Kritik mag er nicht. Jeden Widerspruch wertet Thomas Jordan als Angriff auf die Unabhängigkeit seiner Nationalbank. Gegen die ausgeprägte Autorität des langjährigen Notenbank-Chefs hatten Bundesräte nichts zu melden, auch die PUK dürfte sich hier schwertun. Doch ganz fehlerfrei hat Jordan die CS-Prüfung nicht bestanden. Zu passiv und zu unkooperativ war sein Verhalten, heisst es jetzt.
Gemeinsam mit Finanzminister Maurer und CS-Präsident Lehmann entschied sich Jordan im Spätherbst 2022, nichts zu tun. Die drei hofften, dass die neue, Ende Oktober präsentierte CS-Strategie greifen würde, ansonsten – so der Plan – müsste die Bank in einer Notfallübung vom Staat oder der UBS gerettet werden. Und so kam es dann auch.
Kritiker monieren, dass Jordan der Credit Suisse etwa mit einem «Whatever it takes»-Statement Halt und Zeit hätte verschaffen können, so wie es der frühere Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, einst zur Stabilisierung des Euro getan hatte. Doch von solchen Aktionen hält der traditionelle Notenbanker Jordan nichts. So hat er auch das beim Banken-Zwangsverkauf auf 9 Milliarden Franken bezifferte Risiko nicht in seine Bücher übernommen, sondern dies dem Bund überlassen. Nur zähneknirschend, wie es heisst, habe er der CS weitere 100 Milliarden Franken an Liquidität zur Verfügung gestellt – und das ohne Sicherheiten. EinTabubruch,der das Verhältnis zwischen ihm und dem Bundesrat getrübt hat.
Axel Lehmann, Untergangspräsident der CS
Der letzte Verwaltungsratspräsident der Credit Suisse hat ebenfalls bei der PUK vorgesprochen, wie aus sicherer Quelle zu erfahren ist. Ob er dazu verpflichtet gewesen wäre wie die Bundesbehörden, ist rechtlich umstritten. Doch Axel Lehmann sah in der Befragung eine Chance, Unwahrheiten oder das, was er als solche erachtet, zurechtzurücken.
Lehmann fühlt sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Als er am 1. Oktober 2021 in den Verwaltungsrat gewählt worden sei, sei das Unheil schon angerichtet gewesen. So versuchte er sich sinngemäss aus der Affäre zu ziehen.
Tatsächlich kam Lehmann, der davor für die UBS tätig gewesen war, zu einem Zeitpunkt zur CS, als diese schon sehr morsch war. Kaum im Verwaltungsrat, übernahm er am 17. Januar 2022 dessen Präsidium. Denn Kurzzeit-Präsident António Horta-Osório war über die Missachtung von Corona-Regeln gestolpert.
Lehmann sieht in seinen Vorgängern die Ursachen des Niedergangs. In der Tat wurde das verheerende Geschäftsmodell in der Ära von Präsident Urs Rohner (2011 bis 2021) entwickelt. Dieser hatte sich an der Generalversammlung 2021 entschuldigt und gesagt: «Es tut mir leid, dass wir unsere Kunden enttäuscht haben.» Seither ist Rohner abgetaucht. Anders als gewisse Swissair-Verantwortliche ist er aber nicht ausgewandert. Er lebt in der Region Zürich und«leidet wie ein Hund», wie ein langjähriger Weggefährte es ausgedrückt hat.
Lehmann zeigt sich nach wie vor, etwa an der Kaderschule IMD in Lausanne. Auch auf Social Media ist er aktiv. Dass er jüngst auf Linkedin Ratschläge zur Krisenbewältigung erteilte, lässt tief blicken und bestätigt, was man aus der PUK hört: Lehmann findet, er habe bei der CS getan, was möglich war.«Wenn sich eine Krise entfaltet, sei es als lange schleichende Abwärtsspirale oder als plötzlicher Überraschungsschock, läuft nichts wie geplant», schrieb Lehmann auf Linkedin.
Die Wahrheit aber ist: Lehmann war oberster Verantwortlicher in der Zeit, als die CS vom Kranken- aufs Sterbebett wechselte. Am 27. Oktober 2022 stellte die Credit Suisse – als hätte es den historischen Bankrun nie gegeben – ihre neue Strategie vor. Sie konnte die Bank nicht retten. Eine Person, die sich damals lange mit Lehmann unterhielt, sagt rückblickend: «Er war wie der Dirigent des Orchesters auf der Titanic, der seelenruhig weiterspielen lässt, während die Scheiben bersten.»
Ganz ruhig schlafen kann Lehmann aber nicht. In den USA hat ein Hedgefonds-Manager eine Klage gegen ihn und den letzten CS-Chef Ulrich Körner eingereicht. Lehmann habe «lügenhaft informiert». Es ist zu hören, Lehmann reise deshalb nicht mehr nach Amerika. Inwieweit ihm und anderen früheren CS-Verantwortlichen auch in der Schweiz juristische Unbill droht, ist unklar. Weder Rohner noch Horta-Osório noch Lehmann wurde an den letzten Generalversammlungen der CS die Décharge erteilt. Das heisst, das Risiko für Klagen bleibt bestehen. Der PUK-Bericht könnte Munition dafür liefern.
Transparenzhinweis:Dieser Artikel erschien erstmals am 8. Dezember. Aus Aktualitätsgründen haben wir ihn leicht angepasst und publizieren ihn erneut.