Der PUK-Bericht zum Ende der Credit Suisse ist da: Das sind die wichtigsten Erkenntnisse
Am 19. März 2023 platzte die Bombe: Die UBS kauft die CS – zu einem Preis von 3 Milliarden Franken. Nationalbank und Bund sicherten den Deal mit finanziellen Garantien, die öffentliche Hand ging mit 257 Milliarden Franken ins Risiko. Damit konnten der Konkurs der CS und wahrscheinlich eine globale Finanzkrise abgewendet werden.
Aber war der Verkauf die beste Lösung? Haben die Behörden auch Alternativen geprüft? Und hat sich das Geflecht aus Institutionen und Gremien in dieser Krise bewährt? Diese Fragen sollte die14-köpfige Parlamentarische Untersuchungskommission (PUK)unter dem Vorsitz der Freiburger Ständerätin Isabelle Chassot (Mitte) klären, die National- und Ständerat am 8. Juni 2023 eingesetzt haben.
Nach 18 Monaten legt die Kommission ihren 569 Seiten dicken Bericht vor. Er liefert pikante Details der Fusionsverhandlungen zwischen CS und UBS und gewährt überraschende Einblicke hinter die Mauern des Bundeshauses. Das sind die wichtigsten Erkenntnisse:
CS: Versagen auf der ganzen Linie
Aus Sicht der PUK ist klar, wem das CS-Debakel angelastet werden kann: der CS selbst, respektive all jenen Männern und Frauen, die in Geschäftsleitung und Verwaltungsrat der Grossbank sassen. Bei ihnen ortet die Untersuchungskommission «jahrelanges Missmanagement».
So musste die CS zwischen 2012 und 2022 über 11 Milliarden Franken für Bussen, Vergleiche oder Schadenersatz bezahlen. Gleichzeitig schüttete die CS Jahr für Jahr Boni im Wert zwischen 1 und 5 Milliarden Franken aus. Insgesamt beliefen sich diese variablen Vergütungen auf 31,7 Milliarden Franken. Im gleichen Zeitraum ergab die Summe der Jahresergebnisse einen Gesamtverlust von 32,3 Milliarden Franken.
Doch das Verhalten der CS-Manager hatte die PUK nicht zu bewerten. Sie musste sich auf die staatlichen Akteure beschränken. Denen könne man «kein kausales Fehlverhalten» vorwerfen. Alles richtig gemacht haben sie aus Sicht der PUK aber keineswegs.
Finma: Leine für CS war zu lang
Die Finanzmarktaufsicht (Finma) muss sich den Vorwurf gefallen lassen, erstens der CS jahrelang zu grosse Erleichterungen bei den Eigenmittelanforderungen gewährt und zweitens ihre Aufsichtsfunktion zu wenig wirksam ausgeübt zu haben. Auch wenn die PUK durchscheinen lässt, dass das «renitente» Verhalten der CS die Kontrolle der Bank nicht einfach gemacht habe. Trotz aller Warnungen und Verfahren habe die CS weiterhin «Skandal an Skandal» gereiht, und dennoch habe die Finma nicht zu schärferen Mitteln gegriffen.
Gar als «nicht nachvollziehbar» war für die PUK, dass die Finma der CS 2017 umfassende Eigenmittelerleichterungen in Form eines regulatorischen Filters gewährte. Ohne diese Sonderregelung hätte die CS die Eigenmittelvorschriften bereits 2021 leicht und 2022 deutlich nicht mehr erfüllt – was ein frühzeitiges Eingreifen möglich gemacht hätte.
Politik: Verständnis für Banken war zu gross
Auch Parlament und Bundesrat kommen nicht ungeschoren davon: Die PUK findet, dass beide den Grossbanken bei der Weiterentwicklung der Vorschriften für systemrelevante Banken, den sogenannten «Too big to fail»-Regeln, etwa zu sehr entgegenkamen – mit verlängerten Übergangsfristen oder Verzögerungen bei der Übernahme internationaler Standards.
Insbesondere kritisiert die Kommission, dass – im Gegensatz zu anderen Ländern – die Schweiz keinen Public Liquidity Backstop kannte. Das ist eine staatlich abgesicherte Liquiditätshilfe für Banken, um das Vertrauen der Marktteilnehmer in deren Überlebensfähigkeit zu gewinnen. Zwar hatte der Bundesrat zu dessen Einführung bereits eine Vernehmlassung gemacht, dann aber zugewartet.
Ueli Maurer: Zu geizig mit Informationen
Als es im Herbst zu einem CS-Bankrun kam – allein im Oktober 2022 wurden 100 Milliarden Franken abgezogen -, schalteten die untersuchten Behörden und Gremien in den Krisenmodus. Sie arbeiteten sehr früh verschiedene Szenarien aus – von Liquiditätshilfen über eine Sanierung, den Verkauf der CS bis hin zu einer Verstaatlichung. Gemäss PUK sind alle wichtigen Szenarios durchdacht worden.
Aber: Die PUK bemängelt, dass nicht alle involvierten Behörden immer auf dem gleichen Wissensstand gewesen seien. Insbesondere der Bundesrat sei zu wenig informiert gewesen. Hier ortet die PUK die Hauptschuld beim früheren Finanzminister Ueli Maurer. Dieser habe seine Kolleginnen und Kollegen zu spät und zu spärlich informiert. Allerdings merkt die Kommission auch an, dass die anderen Bundesräte ja mal hätten nachfragen können. Maurer seinerseits rechtfertigt seine Verschwiegenheit mit der Angst vor Indiskretionen. Nach den Leaks während der Corona-Pandemie fürchtete er offenbar, eine konkrete Information der Landesregierung würde nicht geheim bleiben und Indiskretionen könnten an den Märkten Panik auslösen.
Stattdessen organisierte Maurer ab dem Herbst 2022 informelle Treffen mit dem Nationalbankpräsidenten Thomas Jordan und dem CS-Verwaltungsratspräsidenten Axel Lehmann. Deren Inhalt sei nirgends festgehalten worden – und daher weder dem Gesamtbundesrat bekannt gewesen noch hätte er von der PUK eruiert werden können. Die Kommission stellt sich nicht völlig gegen solche Treffen, findet aber, die relevanten Informationen aus diesen Gesprächen hätten den Weg in die dafür vorgesehenen Gremien finden müssen.
Keller-Sutter und Co.: Akutkrise wurde gut gemeistert
Ein gutes Zeugnis stellt die PUK allen Beteiligten aus, die Mitte März vier Tage intensiv an der Lösung der CS-Krise gearbeitet haben. Aufgrund der umfangreichen Vorarbeiten seit Herbst 2022 habe man die CS, zumindest für einige entscheidende Tage, zahlungsfähig halten und so eine internationale Finanzkrise abwenden können. Die PUK kommt ausserdem zum Schluss, dass der Verkauf an die UBS die unter den gegebenen Umständen beste Wahl war, dass Rücksicht auf die finanziellen Auswirkungen auf den Bund genommen und Notrecht rechtmässig eingesetzt wurde.
Fazit: 20 Empfehlungen und 11 Vorstösse
Aufgrund des Berichts richtet die Kommission 20 Empfehlungen an den Bundesrat, die von der Berücksichtigung internationaler Standards bei der Regulierung von Grossbanken bis hin zu klareren Vorschriften für Gesprächsprotokolle reichen.
Zudem reicht die PUK elf Vorstösse ein, unter anderem zur Beschränkung der Erleichterungen von Eigenmittel- und Liquiditätsvorschriften für Grossbanken, für mehr Kompetenzen von Finma und Nationalbank sowie gegen falsche Anreize bei der Ausschüttung von Boni für Bankmanager.
Und die PUK mahnt – wohl auch im Hinblick auf laufende Diskussionen über die Eigenmittelvorschriften: Die UBS als einzige verbleibende international tätige Grossbank in der Schweiz sei im Verhältnis zum Bruttoinlandprodukt (BIP) viel grösser, als es irgendwo sonst auf der Welt der Fall sei. Die PUK hält es deshalb für «unerlässlich», diesen Umstand in der Regulierung angemessen zu berücksichtigen.
Wen genau hat die PUK befragt?
Im Zentrum der Untersuchungen standen der Gesamtbundesrat und die Akteure, die in der Schweiz für Finanzstabilität zuständig sind: das Finanzdepartement mit den zuständigen Fachämtern, die Finanzmarktaufsicht und die Nationalbank sowie zusätzlich die Eidgenössische Revisionsaufsichtsbehörde (RAB). Untersucht wurde nicht nur der Umgang mit der «Akutkrise» im März 2023, sondern der Zeitraum ab 2015. Insgesamt hat die PUK in 45 Sitzungen 79 Personen angehört und über 30’000 Seiten analysiert.