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Das beste an den Flammen ist das Feuer

Meine erste – nicht diagnostizierte – psychische Störung muss die Pyromanie gewesen sein. Die habe ich eindeutig von meinem Grossvater mütterlicherseits geerbt. Und zwar in sehr frühem Alter, denn als der Grossvater starb, war ich erst viereinhalb. Das Letzte, woran ich mich erinnere, ist ein kleines Feuerchen aus einem zerrissenen Bierdeckel im Aschenbecher, der im Spitalzimmer des Grossvaters auf dem Nachttisch stand. Dann war es an mir, die Fackel weiterzutragen, und das tat ich nach Kräften. Etwas ungünstig war der Umstand, dass wir in ein altes Chalet zügelten, wo selbst die Fenstersimse, auf denen ich am liebsten mit allerlei brennbarem Material experimentierte, aus Holz waren. Nach ein paar Nachmittagen Hausarrest verlagerte sich mein Interesse so lange aufs extreme Einheizen des Kachelofens, bis sowohl die Kacheln als auch die Geduld meiner Mutter Risse kriegten. Dann kam die Teenagerzeit und ich verfeuerte in Waldhütten rund um Zofingen sterweise Holz und hinterliess viele angesengte Bäume. Ziemlich primitiv und gefährlich, vor allem wurde es das, als wir endlich 16 waren und begannen, so übertrieben Bier zu trinken, wie wir Feuer machten. Ab Mitte zwanzig hatte ich das Gefühl, die Pyromanie habe sich ausgewachsen. Ich befeuerte nur noch brav Schwedenöfen und dergleichen.

Leider hatte ich nicht mit der Midlife-Krise gerechnet! Letzten Samstag entdeckte ich auf der Terrasse zwei halbverrottete Zehn-Kilo-Schachteln Holz. Am Abend kam der kleine Yeti, unsere Enkelin, zu Besuch. Das schien mir die ideale Gesellschaft (sie ist fünf Jahre alt), um wieder einmal ein kleines Feuerinferno zu veranstalten. Kurz darauf war bereits der Grossteil des Holzes in der Feuerschale gelandet. Es zeigte sich, dass das Kind bereits einen Hauch vernünftiger ist als der zehn Mal so alte Opi: «Ich glaube, mehr sollten wir nicht mehr reintun, sogar der Boden ist schon ganz heiss.»

Da war es leider schon zu spät, der Opi hatte nämlich auf der Nordseite der Terrasse bereits zwei ziemlich vergammelte Euro-Paletten entdeckt. Die erste zerlegte ich noch mit Hand und Fuss, so gut es ging, die zweite landete am Stück auf der Feuerschale. Dann folgte ein grosser Holz-Pflanzentrog, den man – streng genommen – noch hätte brauchen können. Eine leichte Brise kam uns zu Hilfe und nach zwei Stunden glühten unsere Gesichter, weil wir so lange ins heftig lodernde Feuer gestarrt und den Funken nachgejubelt hatten, die am höchsten in den Himmel stiegen. Das sei ein ganz schöner Abend gewesen, sagte der Yeti beim Gutenachtsagen, auch wenn er «eigentlich ganz langweilig» gewesen sei. Ich lachte und war zufrieden mit meiner pädagogischen Leistung: Wenn man Fünfjährige noch dazu bringen kann, zwei Stunden lang barfuss bei 5 Grad ein Feuer zu bewundern, kann die Welt doch noch nicht so schlimm dran sein, wie ich manchmal befürchte. Dass es verboten ist, behandeltes Holz zu verbrennen, und man dabei ganz viel CO2 in die Atmosphäre jagt, das wird der Yeti ab Sommer in der Schule bestimmt früh genug erfahren. Solche Dinge lernt man nicht vom Opi.

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